Das neue Jahresgutachten der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) wurde heute an Bundeskanzler Olaf Scholz übergeben. Darin beschäftigt sich die EFI auch mit neuen Technologien für eine nachhaltige Landwirtschaft.
Die Landwirtschaft steht derzeit vor großen Herausforderungen: das globale Bevölkerungswachstum, die Anpassung an den Klimawandel, der Rückgang landwirtschaftlicher Flächen sowie Biodiversitätsverlust und Grundwasserbelastung, die durch die Landwirtschaft selbst verursacht werden.
Die Landwirtschaft steht vor großen Herausforderungen
Professor Till Requate von der Universität Kiel und Mitglied der Expertenkommission stellt klar: „Die Landwirtschaft muss in Zukunft größere Mengen an Nahrungsmitteln mit weniger umweltbelastenden Betriebsmitteln wie Pflanzenschutz- und Düngemitteln produzieren. Und das bei gleichzeitig schrumpfenden Flächen und sich verändernden Klimabedingungen. Im neuen EFI-Gutachten zeigen wir, dass der Einsatz von Präzisionstechnologien und ‚Smartfarming‘ sowie Produkte der Grünen Gentechnik helfen können, mit diesen vielfältigen Herausforderungen umzugehen und damit die Transformation der Landwirtschaft voranzubringen.“
Potenziale durch neue Präzisionstechnologien stärker ausschöpfen
Digitale und smarte Technologien können in der Landwirtschaft u.a. eingesetzt werden, um Betriebsmittel präziser auszubringen und damit beispielsweise Pflanzenschutz- und Düngemittel einzusparen. Präzisionstechnologien tragen über diese Einsparungen auch zu einer geringeren Belastung der Umwelt durch die Landwirtschaft bei.
„Einige Betriebe nutzen bereits Technologien wie Farm-Management-Systeme oder digital unterstützte Landmaschinen. Einer breiten Nutzung solcher Technologien stehen jedoch noch Hürden im Weg“, erklärt Professorin Irene Bertschek vom ZEW Mannheim sowie Mitglied der Expertenkommission. Zu diesen Hürden zählen u.a. die hohen Anschaffungskosten der Präzisionstechnologien und die Tatsache, dass der Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln vergleichsweise billig ist, aber gleichzeitig die negativen Umwelteffekte nicht hinreichend berücksichtigt werden.
„Damit neue, umweltschonende Präzisionstechnologien vermehrt eingesetzt werden, bedarf es einer Abgabe auf Pflanzenschutz- und Düngemittel“, fordert daher Professor Uwe Cantner von der Universität Jena und Vorsitzender der Expertenkommission.
Weitere Hürden stellen Kompatibilitätsprobleme zwischen Produkten unterschiedlicher Hersteller und unzureichende Infrastrukturen bei der Vernetzung sowie bei der Erfassung und Nutzung von Daten dar. „Um die Potenziale digitaler und smarter Technologien voll ausschöpfen zu können, sollte ein deutschlandweiter, einheitlicher Datenraum für die Landwirtschaft geschaffen werden“, fordert Cantner weiter.
Rechtsrahmen zu Grüner Gentechnik ist überholt
Die Grüne Gentechnik kann dazu eingesetzt werden, Nutzpflanzen so anzupassen, dass sie klimaresilienter, nahrhafter sowie nährstoffreicher sind und einen geringeren Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln erfordern. Insbesondere Entwicklungen in der Genomeditierung ermöglichen eine präzise Umsetzung solcher Anpassungen. Somit könnte die Grüne Gentechnik genutzt werden, um beispielsweise zu den Zielen des Green Deal beizutragen. „In Deutschland und der EU bleibt das Potenzial jedoch ungenutzt aufgrund eines nicht zeitgemäßen und inkonsistenten Rechtsrahmens, der nicht wissenschaftlich fundiert ist“, erläutert Bertschek.
Dieser Rechtsrahmen schränkt nicht nur die Forschung in der Biotechnologiebranche, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Produktion in der EU ein. „Aus diesem Grund muss der derzeit gültige Rechtsrahmen überarbeitet und eine vom Züchtungsverfahren unabhängige Regulierung etabliert werden, da keine verfahrensinhärenten Risiken festgestellt werden können“, betont Cantner.
„Ein weiteres großes Hemmnis bei der Nutzung Grüner Gentechnik ist die geringe Akzeptanz in der Bevölkerung, die daher wissenschaftlich fundiert zur Grünen Gentechnik informiert werden muss. Eine solche Kommunikationsstrategie der Bundesregierung sollte sich auch in einer konsistenten Gesetzgebung widerspiegeln“, führt Requate aus.