Vernetzte Daten für den Gesundheits- und Umweltschutz

Auf einem Gebäudedach in Malaysia steht eine der Wetterstationen, die das PULSE-AI-Team selbst gedruckt und zusammengebaut hat. Der Regensammler (grün) fängt das Regenwasser auf und misst die Regenmenge. Die mit Solarzellen betriebene Station misst zudem die Windstärke und -richtung, Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Sonneneinstrahlung. Zukünftige Erweiterungen der Wetterstation werden auch die Erfassung von Luftverschmutzung ermöglichen. Quelle: Min Yap / Monash University Malaysia

Wie sich der Klimawandel – insbesondere starke Hitze und hohe Luftfeuchtigkeit – auf die menschliche Gesundheit und die Natur auswirkt und welche Maßnahmen für den Umwelt- und Gesundheitsschutz nützlich sein können, untersuchen Dr. Sandra Barteit, Medizinische Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg, Leiterin der Arbeitsgruppe Digital Global Health am Heidelberger Institut für Global Health (HIGH) des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD), und ihr Team. 

Der anthropogene Klimawandel belastet zunehmend die menschliche Gesundheit. Vor allem in Regionen Afrikas und Asiens, die starker Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit ausgesetzt sind, wirkt sich der Klimawandel auf die menschliche Gesundheit aus. Menschen mit chronischen, klimasensitiven Krankheiten wie Bluthochdruck oder Diabetes mellitus Typ 2 sind besonders betroffen.

Zudem beeinflussen die veränderten klimatischen Bedingungen die Verbreitung infektiöser Krankheiten, beeinträchtigen kognitive Fähigkeiten und mindern Arbeitsproduktivität. Diese Auswirkungen treffen insbesondere ärmere Bevölkerungsschichten, die von landwirtschaftlicher Arbeit und Ernteerträgen abhängig sind.

Dr. Sandra Barteit betont: „Gerade für die ländlichen Regionen sind häufig nur sehr wenige und teilweise nicht verwertbare Klima- und Gesundheitsdaten vorhanden. Dies erschwert zu verstehen, welche Faktoren tatsächlich die Natur und die Menschen beeinflussen und inwiefern sich zusätzliche Belastungen wie die Feldarbeit unter starker Hitze, auswirken. Der Körper erreicht jedoch irgendwann eine physiologische Grenze, bei deren Überschreitung es zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen kommt, Krankheiten begünstigt werden und sich verschlechtern oder im schlimmsten Fall zum Tod führen. Insbesondere Menschen mit Vorerkrankungen sind gefährdet, aber auch bei gesunden Menschen kann es durch dauerhaften Hitzestress vermehrt zu Nierenschäden kommen, die chronisch werden können.“

Mit Smartwatch und selbst gedruckter Wetterstation Daten sammeln

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sammeln Daten mit Messgeräten und Sensoren, die eine individuelle Aufzeichnung der Vitalparameter sowie der Umwelt ermöglichen: Die teilnehmende Bevölkerung in den Studienregionen in Burkina Faso, Malaysia und Kenia sind mit sogenannten Wearables, tragbaren Uhren und Armbändern ausgestattet, die körperliche Aktivität, Herzfrequenz, Schlaf und Blutdruck aufzeichnen.

Mit Sensoren in den Häusern können Daten der Innenraumbelastung wie Temperatur und Luftfeuchtigkeit gemessen werden. Wetterstationen, die das Forscherteam selbst mittels 3D-Drucker produzieren, messen das Außenklima (Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Solarstrahlung und Wind). Zusätzlich liefern satellitengestützte Daten ergänzende Informationen über Trockenheit, Überschwemmungen und den Zustand von Feldfrüchten.

„All diese Daten ermöglichen uns eine detailgenaue Analyse und Auswertung der Einflüsse, um die tatsächliche Belastung auf den menschlichen Körper und die Umwelt besser verstehen zu können. Beispielsweise wurden die Gesundheitsdaten der Bevölkerung bisher nur vereinzelt durch Fragebögen und punktuelle Blutdruck- und Pulsmessungen erfasst. Mit den Wearables haben wir eine kontinuierliche Messung der Parameter“, beschreibt Dr. Sandra Barteit und ergänzt: „Unsere 3D-gedruckten Wetterstation stellen wir in geringeren Abständen auf, wodurch das Studiengebiet besser abgedeckt ist – im Vergleich zu nationalen und lokalen Wetterstationen, die oftmals bis zu mehreren einhundert Kilometer weit voneinander und von der Studienregion entfernt sind und wir dadurch blinde Flecken in den Aufzeichnungen haben.“

Die durchgängigen Messungen ermöglichen es der Forschungsgruppe zudem, sog. prädiktive Systeme zu entwickeln und damit frühzeitig und präventiv einzugreifen, indem beispielsweise Abweichungen der Standardmesswerte sofort an den einzelnen Nutzer über Wearable-Technologie kommuniziert werden.

Innovative Datenbank und KI unterstützen die Forschenden

Das Team verknüpft heterogene Daten in einer „Graphdatenbank““. Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz und graph-basierten Analysemethoden sollen dadurch gezielt Risikogruppen identifiziert werden. Das ermöglicht es, Zusammenhänge zwischen Gesundheit, Umwelt und Klimaverhältnissen besser zu verstehen. „Dank dieser Mustererkennung, basierend auf den vielfältig gesammelten Daten, können wir besser und gezielt Interventionen für Risikogruppenableiten.

Dies könnten Präventions- und Aufklärungsprogramme in den Gemeinden sein, wie beispielsweise Workshops über die Verlegung der Arbeitszeiten in kühlere Tagesstunden oder Programme für Menschen mit klimasensitiven Lungenkrankheiten, die über das zusätzliche Risiko beim Kochen mit Holzkohle in Innenräumen informieren und den positiven Nutzen von Übungen wie leichtem Krafttraining mit lokal verfügbaren Alternativen oder Stretching aufzeigen.“, betont Dr. Barteit. Professor Dr. Dr. Till Bärnighausen, Direktor des HIGH, ergänzt:

„Die Daten können zukünftig auch Hilfs- und Gesundheitsorganisationen sowie Ministerien in Afrika und Asien zur Verfügung gestellt werden und zur besseren Landschaftsplanung dienen. Darüber hinaus kann das System als Frühwarnsystem helfen, schon vor Krankheitsausbruch eine Warnung abzugeben, sodass bereits frühzeitig reagiert werden kann.“

Anwendung auch in Deutschland geplant

Weiterführendes Ziel ist, das aktuell für Afrika und Asien entwickelte System der umfassenden und kontinuierlichen Datensammlung und -analyse auch auf Deutschland zu übertragen. Hierfür könnte die Lausitz – eine Region, die von trockenen Sommern geprägt ist – in Frage kommen. „Dadurch können die Ergebnisse der verschiedenen Studienregionen verglichen werden und aufschlussreiche Erkenntnisse liefern. Der Gedanke ist, dass individuelle Gesundheitsdaten auch das deutsche Gesundheitssystem mittels Frühwarnsysteme zum Beispiel für den Ausbruch von grippeähnlichen Erkrankungen entlasten.

Darüber hinaus könnte ein weiterer Schritt in Richtung personalisierte Medizin gehen, indem durch eine kontinuierliche Messung ein besseres Verständnis dafür entwickelt wird, wie sich klimatische Einflüsse individuell auf den Einzelnen auswirken. Individuelle Belastungen werden per Wearable aufgezeichnet und beispielsweise in einer App ausgewertet. In enger Zusammenarbeit mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten könnte dies zu einer verbesserten Diagnostik und Behandlung führen“, so der Ausblick der Studienleiterin. Darüber hinaus könnten auch Verbesserungen im Städte- und Landschaftsbau ermöglicht werden.

Kooperationspartner der CZS Nexus Förderung sind das South East Asia Commuity and Observatory (SEACO) der Monash University Malaysia, das Centre de Recherche en Santé Nouna in Burkina Faso sowie in Deutschland das Lausitzer Zentrum für Digital Public Health der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU).