Bis ein Produkt von seiner Grundform ausgehend beim Endverbraucher landet, legt es häufig einen weiten Weg zurück: Entwicklung, Herstellung, Transport und Vertrieb sind etwa Teile des Prozesses, den man in der Wirtschaft als Wertschöpfungskette bezeichnet.
Regionale Wertschöpfungsketten – also solche, bei denen Hersteller und Händler in derselben Region angesiedelt sind – bringen gerade ökologisch viele Vorteile mit sich. Kürzere Transportwege vermindern etwa CO2-Emissionen und tragen so zu höherer Biodiversität bei. Da Nachhaltigkeit nicht nur die Umwelt freut, sondern auch bei Kundinnen und Kunden gut ankommt, lohnt sich Regionalität auch ökonomisch.
„Der Einkauf von regionalen Produkten ist voll im Trend! Nicht nur das Einkaufsverhalten, auch die Sortimente von Lebensmittelhändlern wie EDEKA, REWE oder Aldi haben sich dementsprechend verändert. Das merken auch die Verbraucher“, weiß Professor Richard Pibernik. Sein Lehrstuhl für Logistik und quantitative Methoden an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) leitet „KI-Regio – Künstliche Intelligenz für regionale Wertschöpfungsketten.“
Neben der hohen Nachfrage am Produkt punkten die regionalen Wertschöpfungsketten auch in Sachen Kostenminimierung: Es fallen weniger Logistikkosten und geringere Transaktionskosten an. Außerdem wollen weniger Zwischenhändler am Produkt mitverdienen.
Vereinte Expertise aus der Betriebswirtschaft
All die Vorteile bringen aber auch einige Herausforderungen mit sich. Hier kommt die Expertise aus der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät ins Spiel. Noch drei weitere Lehrstühle und eine Professur sind ebenfalls Teil des Projektteams.
Dieses versammelte Fachwissen setzt da an, wo gerade kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) häufig an ihre Grenzen stoßen: „Kleinere Hersteller können weniger von Skaleneffekten profitieren und haben geringere technische Möglichkeiten bei der Planung und Automatisierung von Prozessen als ihre überregional und teils international agierende Konkurrenz,“ so Richard Pibernik.
Gerade beim Thema Automatisierung kann die Nutzung von Verfahren der Künstlichen Intelligenz Abhilfe schaffen. Diese versprechen zwar erhebliche Produktivitätsgewinne, erfordern aber auch substanzielle Investitionen in IT-Infrastruktur, Entwicklung und Personalkompetenz – für kleinere Unternehmen selbst häufig schlicht nicht zu stemmen.
Ziel ist es deshalb, in einem Pilotnetzwerk von KMU in der Region Mainfranken passgenaue KI-Lösungen zu finden, die Produzenten und Händlern eine effizientere und effektivere Zusammenarbeit ermöglichen sollen. Gefördert wird das Projekt mit gut zwei Millionen Euro aus EFRE, dem europäischen Fonds für regionale Entwicklung der Europäischen Union. Im Förderzeitraum von drei Jahren sollen Einsatzpotenziale von KI in regionalen Wertschöpfungsketten identifiziert, Prototypen entwickelt und im Realbetrieb getestet werden.
Ausgründung als Inspiration
Als ein Vorbild des Projekts nennt Pibernik das preisgekrönte Startup „BäckerAI“. Gegründet von Absolventen der Uni Würzburg, entwickelt das Unternehmen KI-Lösungen für überwiegend regional agierende Bäckereiketten und bringt diese bereits sehr erfolgreich zum Einsatz. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz sorgt die BäckerAI dafür, dass jederzeit die optimalen Bestellmengen für Backwaren ermittelt werden. Kurzum: Die KI weiß, wann zum Beispiel wie viele Brötchen gebraucht werden und verhindert so Knappheit aber auch Überschuss, der letztlich entsorgt werden müsste. Ein automatisierter Bestellvorgang bringt zusätzlich erhebliche Zeitersparnis mit sich.
Neben den wissenschaftlichen Kompetenzen sollen also auch bisherige Ergebnisse und die Verzahnung mit der regionalen Wirtschaft genutzt werden, um bestehende Konzepte weiterzuentwickeln und innovative Lösungen in der Breite nutzbar zu machen. Bei den insgesamt 24 Partnern des Pilot-Netzwerks handelt es sich um regionale Produzenten sowie regionale Händler, die bereits regionale Produkte vertreiben. Darunter sind etwa die Ochsenfurter Kauzen Bräu, die VR-Bank Bad Kissingen oder die Frischemärkte Trabold.
Hinzu kommen sogenannte „Unterstützer“, beispielsweise kleine Beratungsunternehmen, die komplementäre Dienstleistungen anbieten und beim Wissens- und Technologietransfer helfen. In dem Unterstützer-Netzwerk finden sich ebenso Unternehmen und Organisationen, die aktiv zur Wissens- und Technologie-Dissemination beitragen, etwa die IHK Würzburg-Schweinfurt, die Vogel Medien Gruppe, die Main-Post GmbH oder der Bayerische Rundfunk.