Grasland erbringt wie der Wald zahlreiche ökologische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leistungen. Im Kanton Solothurn haben Agrarforschende untersucht, wie sich diese Leistungen erhalten und verbessern lassen. Gras, Klee und Kräuter sind ein Fundament der Schweizer Landwirtschaft: zwei Drittel der landwirtschaftlichen genutzten Fläche der Schweiz ist Grasland, auf dem zu einem großen Teil Ackerbau kaum möglich ist. Vor allem in den Voralpen, Alpen und im Jura finden sich ausgedehnte Grasländer. Und Grasland wiederum ist die Basis für die Schweizer Milch- und Fleischwirtschaft.
Doch im Gegensatz zum Wald, dessen Ökosystemleistungen wie Holzproduktion, Ausgleich des Wasserhaushalts, Klima und Erholung in den Köpfen verankert sind, wird beim Grasland kaum über die vielfältigen und zahlreichen Ökosystemleistungen gesprochen, die es für den Menschen erbringt. Dabei ist es für unsere Ernährung sogar deutlich wichtiger.
Grasland ist ein wichtiger Kohlenstoffspeicher und Hort der Biodiversität. Es schützt vor Erosion und erbringt kulturelle Leistungen wie ein attraktives Landschaftsbild mit weidenden Tieren, das Wanderer und Touristen erfreut. Das sind einige Beispiele für die vielen verschiedenen Leistungen oder Funktionen, die Forscherinnen und Forscher dem Grasland zuschreiben.
Leistungen und Bewirtschaftung eng gekoppelt
Doch welche Bewirtschaftungsart fördert welche Leistungen des Graslands ganz besonders? Dieser Frage sind Forschende der ETH Zürich und des Kompetenzzentrums für die landwirtschaftliche Forschung Agroscope nachgegangen. Ihre Studie ist soeben in der Fachzeitschrift Nature Communications erschienen.
In ihrer Studie haben die Forschenden 90 Dauergraslandflächen auf über 30 Landwirtschaftsbetrieben im Kanton Solothurn genau unter die Lupe genommen. Die Forschenden betrachteten dabei drei Bewirtschaftungsformen: Düngung (Dünger erlaubt oder ungedüngte Naturwiesen, sogenannte extensive Biodiversitätsförderflächen), Nutzungstyp (Wiese oder Weide) und Bewirtschaftungsrichtlinien (konventionell oder biologisch).
Um zu verstehen, wie die Bewirtschaftung die verschiedenen Ökosystemleistungen beeinflusst, analysierten die Forschenden die Böden und die Pflanzengemeinschaften, die auf den Dauergraslandflächen vorkamen. Da unterschiedliche Anspruchsgruppen unterschiedliche Ökosystemleistungen bevorzugen, analysierten die Forschenden die Leistungen getrennt in produktionsbezogene Leistungen, regulierende Leistungen und kulturelle Leistungen.
«Wir haben einen deutlichen Effekt der Bewirtschaftung auf viele Ökosystemleistungen beobachtet», fasst Valentin Klaus zusammen. Klaus ist Mitautor der Studie und Oberassistent am Institut für Agrarwissenschaften der ETH Zürich. «Die eine Bewirtschaftungsweise, die wie ein Schweizer Taschenmesser alle Ökosystemleistungen erbringt, gibt es jedoch nicht.»
Mehr Ästhetik, geringere Futtermenge
Den größten Effekt auf die Ökosystemleistungen hatte die extensive Bewirtschaftung, die ohne Düngung auskommt. Darunter fallen zum Beispiel artenreiche Magerwiesen und -weiden. Solche Flächen steigern die Leistungen Artenvielfalt, Bodenschutz oder Ästhetik der Landschaft stark. Dafür gehen Futtermenge und -qualität zurück, was für Landwirte eine geringere Produktion bedeutet.
«Dieser Zielkonflikt zwischen Futterproduktion und kulturellen sowie regulierenden Leistungen ist bekannt. Wir konnten aber klar zeigen, dass extensive Graslandbewirtschaftung absolut betrachtet die meisten Ökosystemleistungen hervorbringt», betont Klaus.
Unterschiedliche Leistungen von Wiese und Weide
Ebenfalls einen starken Effekt auf die Ökosystemleistungen wiesen die Forschenden bei der Nutzung von Grasland als Weide oder Wiese nach, also je nachdem, ob die Flächen vornehmlich beweidet oder gemäht wurden. Zielkonflikte gab es aber auch hier, sagt Klaus. «Weiden hatten mehr Pflanzenarten, zeigten eine bessere Futterqualität und waren schön, weil Tiere das Landschaftsbild bereichern. Wiesen hingegen produzieren die höhere Futtermenge, was für Bauern wichtig ist.» Zudem waren Wiesen ästhetischer, weil insbesondere ungedüngte Wiesen am meisten blühende Kräuter aufweisen.
Weshalb Wiesen und Weiden solch unterschiedliche Leistungen erbringen, führt Klaus darauf zurück, dass die häufige Mahd von Wiesen gewisse Pflanzenarten fördert, andere hingegen verdrängt. Wiesen werden zudem im Durchschnitt stärker gedüngt als Weiden, was sich ebenfalls auf viele Ökosystemleistungen auswirkt.
Vorteil von Bio-Grasland klein
Zu seiner Überraschung zeigte die biologische Bewirtschaftung nur einen geringen positiven Effekt auf die Ökosystemleistungen des Graslands. «Auf solchen Flächen fanden wir zwar mehr symbiotische Pilze und ein geringeres Risiko für die Auswaschung von Stickstoff, aber konventionell und biologisch bewirtschaftete Grasländer erbringen in etwa gleich viele Leistungen», sagt der Forscher. Der Grund für diesen schwachen Effekt sieht er darin, dass konventionell und biologisch bewirtschaftete Wiesen und Weiden ähnlich genutzt werden, also relativ intensiv gemäht und ausreichend mit Dünger versorgt werden.
Für Klaus ist deshalb klar: Die eine Bewirtschaftungsmethode, die alle Ökosystemleistungen zugleich erbringt, gibt es nicht. «Um die Ökosystemleistungen des Graslands in unseren Landschaften gezielt zu erhöhen und zu fördern, brauchen wir ein Mosaik aus allen genannten Bewirtschaftungsformen, also eine Kombination aus Flächen mit unterschiedlicher Düngung, sowie Wiesen und Weiden», betont Klaus. «Da es nicht den einen idealen Graslandtyp gibt, müssen wir immer eine Güterabwägung vornehmen. Wir müssen uns fragen: Was nützt wem und wo am meisten?»
Wenn auf einer Wiese vor allem Futter produziert wird, leiden die Artenvielfalt und andere wichtige Leistungen. Auf extensiv genutzten, ungedüngten Wiesen müssen Landwirte dagegen mit erheblichen Produktionseinbußen rechnen.
«Sollen alle Ökosystemleistungen erhalten und gefördert werden, braucht es die Kombination auf Landschaftsebene und auch auf dem Betrieb», sagt der Wissenschaftler.
Die Erkenntnisse können die Forschenden nun bei der Beratung von Landwirten, Flurgenossenschaften bis hin zur kantonalen Behörde einsetzen. Die Studie hilft zudem, die unterschiedlichen Ansprüche und Interessen auszubalancieren und eine hohe Multifunktionalität des Graslands auf Landschaftsebene zu erreichen.