Der steigende CO₂-Gehalt der Atmosphäre führt zu einer Versauerung der Ozeane. Es sind kleine chemische Veränderungen mit gravierenden Folgen. Für die Messung des pH-Wertes im Ozean bietet die PTB neuerdings einen „Goldstandard“, der für weltweit vergleichbare und damit aussagekräftige Messdaten sorgt. Denn nur wer verlässliche Daten hat, kann fundierte Entscheidungen für den Schutz der Meere treffen. Mit dem Welttag der Ozeane wollen die Vereinten Nationen am 8. Juni alle Menschen für die Bedrohung der Meere sensibilisieren und an die herausragende ökologische Rolle der Ozeane erinnern.
Zuweilen nennt man ihn den bösen Zwilling der Klimaerwärmung: die Versauerung der Ozeane. Denn der steigende CO2-Gehalt der Atmosphäre hat nicht nur Auswirkungen auf das Klima, sondern auch auf die Chemie der Ozeane. Diese „Versauerung der Ozeane zu minimieren und zu bekämpfen“ gehört zu den Nachhaltigkeitszielen der von den Vereinten Nationen formulierten Agenda 2030. Ozeanografen versuchen daher, den pH-Wert – ein Maß, ob eine Flüssigkeit eher basisch, neutral oder sauer ist – möglichst flächendeckend zu messen.
Doch Messungen im Ozean sind eine Herausforderung: Da sind nicht nur die enorme Ausdehnung der Wassermassen und schwierige Wetterbedingungen – anders als im Labor schwanken auch Temperatur und Salzgehalt. Das macht Messungen komplizierter. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) und Partnerinstitute wollten helfen und haben im Rahmen eines dreijährigen internationalen Projekts die Voraussetzung für verlässliche und vergleichbare pH-Wert-Messungen geschaffen.
„Messungen im Meer haben ganz andere Rahmenbedingungen als bei uns im Labor“, erklärt Dr.-Ing. Steffen Seitz, Leiter der Arbeitsgruppe Elektrochemie an der PTB. „Umgebungsparameter wie Temperatur und Salzgehalt schwanken.“ Insbesondere wenn man geringe Veränderungen wie beim pH-Wert nachweisen will, müssen Messergebnisse aber so genau und verlässlich wie möglich sein. Nur dann sind sie aussagekräftig, könnten in Klimamodelle einfließen und die Grundlage für politische Entscheidungen bilden.
„Daher war unser Ziel, die von Ozeanografen verwendete Methode zur pH-Wert-Messung mit derjenigen zu verzahnen, die bei uns im Labor extrem genaue Ergebnisse liefert“, ergänzt sein Kollegen Dr. Frank Bastkowski.
Gemeinsam mit weiteren europäischen Forscherinnen und Forschern ist ihm das nun im Forschungsprojekt SapHTies gelungen.
„Wir wollen den Ozeanografen genau das ermöglichen, was sie brauchen: qualitativ hochwertige und abgesicherte Daten über den Zustand der Meere“, erklärt Bastkowski.
Genau das fordern auch die UN-Agenda 2030 sowie europäische Rechtsvorschriften. Damit Daten aussagekräftig sind, müssen sie vergleichbar sein – auch wenn sie mit unterschiedlichen Geräten in unterschiedlichen Meeren bei wechselnden Umweltbedingungen stattfinden. Das gelingt, indem man alle Messungen mit einem einheitlichen, bestmöglichen Standard vergleicht.
Aufgrund praktischer Überlegungen haben sich für Messungen im Ozean vor allem spektrophotometrische Messmethoden durchgesetzt. Vereinfacht gesagt funktionieren sie so, wie man es noch aus der Schule kennt: Indikatorfarbstoffe bzw. ihr Farbwechsel zeigen an, wie sauer oder basisch eine Flüssigkeit ist. Jedoch lässt sich der pH-Wert viel genauer mit einer anderen Messapparatur bestimmen – und die steht in der PTB: Diese Messapparatur zur elektrochemischen Messung des pH-Werts enthält sogenannte Harned-Zellen, handgefertige komplexe Glaskolben, die mit exakt temperiertem künstlichem Meerwasser gefüllt sind. Damit kann der pH-Wert des Meerwassers genau gemessen werden.
Und wie lassen sich diese beiden Methoden nun miteinander verzahnen?
Dazu sagt Frank Bastkowski:“ Denkbar wäre, dass die PTB Proben von synthetischem Meerwasser bereit stellt, dessen pH-Wert von unserer Apparatur gemessen wurde und deshalb exakt bekannt ist. Anwender könnten ihre spektrophotometrischen Messeinrichtungen dann mit unseren Proben kalibrieren, um ihre eigenen Messungen durchführen.“
Während die Ergebnisse des SapHTies-Projekts nun in eine internationale Norm zur Messung des pH-Werts in Ozeanen einfließen, wenden sich Bastkowski und seine europäischen Forscherkollegen und -kolleginnen bereits neuen Aufgaben zu. Denn längst sind noch nicht alle Wechselwirkungen zwischen dem atmosphärischen CO2 mit den Ozeanen bekannt. Um sie zu verstehen, müssen noch weitere Messverfahren auf eine einheitliche Basis gestellt werden.
Gut zu wissen 1: Versauerung der Meere
Ozeane sind die blauen Lungen unseres Planeten: Sie entziehen der Luft große Mengen an Kohlendioxid. Ohne diesen natürlichen Speicher wäre die Kohlendioxidkonzentration in der Luft heute sehr viel höher und es wäre auf der Erde um einiges wärmer. Doch je mehr CO2 sich in der Atmosphäre befindet, desto mehr löst sich im Meerwasser und verändert seine chemische Zusammensetzung. Er wird – zwar nur leicht, aber messbar – saurer. Mit erheblichen Konsequenzen für seine Bewohner. Nicht nur Fischlarven und kalkbildende Organismen wie Korallen und Muscheln nehmen Schaden, sondern auch Kalkalgen, die einen wichtigen Beitrag im marinen Kohlenstoffkreislauf bilden. So kann die Funktion der Meere als Kohlenstoffspeicher geschwächt werden.
2: Keine verlässliche pH-Wert-Messung ohne Rückführung!
Wenn Messwissenschaftler im Freundeskreis von Rückführung erzählen, ernten sie meist ratlose Blicke. Dabei ist Rückführung einer der Schlüsselbegriffe in der Metrologie, der Wissenschaft vom Messen. Erst durch Rückführung lassen sich verschiedene Messergebnisse, die womöglich mit ganz unterschiedlichen Methoden an unterschiedlichen Orten ermittelt wurden, miteinander vergleichen. Für die Rückführung braucht man eine Art Goldstandard.
Im Bereich der pH-Wert-Messung ist das die Messapparatur zur elektrochemischen Messung des pH-Werts in der PTB. Kein Gerät oder Verfahren kann es besser. Nun müssen sich die in der Praxis angewendeten Verfahren mit diesem Goldstandard vergleichen lassen: Inwieweit weicht ihr Ergebnis davon ab? Um diese Abweichung müssen ihre Messwerte dann korrigiert werden. Alle Verfahren, die sich auf diese Weise mit dem Standardverfahren abgleichen, gelten als rückgeführt und sind miteinander vergleichbar und aussagekräftig.
3: Forschungsprojekt SapHTies
Aufgrund seines Salzgehalts wird im Meer nicht der reine pH-Wert gemessen, sondern der pHT-Wert. Er berücksichtigt neben freien Wasserstoff- auch die Hydrogensulfationen (in diesem Beitrag schreiben wir für ein leichteres Verständnis trotzdem immer „pH-Wert“). Meist wird mit optischen Methoden gemessen. Allerdings war bislang weder die Rückführung der pHT-Messwerte auf eine akzeptierte metrologische Referenz geklärt, noch konnten die zugehörigen Messunsicherheiten angegeben werden. Beides wird aber von verschieden internationalen Normen gefordert. Das im April 2024 abgeschlossene EMPIR-Projekts SApHTIES bietet nun die Basis für normative Regeln.
Am europäischen Forschungsprojekt SapHTies sind neben zwei ozeanografischen Instituten auch Metrologieinstitute aus fünf Ländern beteiligt. Es findet unter dem Dach von EMPIR statt, dem Europäisches Metrologieprogramm für Innovation und Forschung. Der Originaltitel lautet: Metrology for standardised seawater pHT measurements in support of international and European climate srategies.