Der Klimawandel ist spürbar und stellt eine Bedrohung für Hamburg dar. Darin ist sich die Mehrheit der Befragten in der vom Helmholtz-Zentrum Hereon durchgeführten Studie „Risikobewusstsein Hamburger Bürger_Innen für den Klimawandel 2024“ einig. Die größte Gefahr sehen die meisten Menschen in Sturmfluten und Starkregen. Um sich für solche Extremwetterereignisse zu wappnen, nutzt ein Großteil bereits Wetter- und Warnapps. Außerdem steigt die Zahl der Menschen, die Vorräte für den Notfall anlegen.
„Der Klimawandel wurde lange Zeit als globales Problem angesehen, gegen das die Regierung etwas tun muss. Mittlerweile ist vielen Menschen aber klar, dass es ein gesamtgesellschaftliches Problem ist, gegen das jeder einzelne etwas tun muss. Jeder trägt Verantwortung“, sagt Prof. Beate Ratter, Leiterin der Langzeitstudie, Wissenschaftlerin am Helmholtz-Zentrum Hereon und Professorin an der Universität Hamburg. Sie führt die Studie seit 17 Jahren mit Hilfe des Meinungsforschungsinstituts Forsa durch. In diesem Jahr wirkte Johanna Nicolaysen vom Hereon mit. 505 Hamburgerinnen und Hamburger wurden per Telefon gefragt, wie sie den Klimawandel und seine Folgen wahrnehmen.
Apps und Vorräte gegen Extremwetterereignisse
Laut Beate Ratter gab es in diesem Jahr neue Höchstwerte in Bezug auf Vorsorgemaßnahmen. 73 Prozent der Befragten nutzen demnach Wetter- und Warnapps oder planen, sich solche zu installieren, um sich gegen Extremwetterereignisse zu wappnen. Das sind 4 Prozent mehr als im Vorjahr und so viele wie noch nie. 50 Prozent gaben zudem an, dass sie Vorräte mit Wasser, Lebensmitteln und Medikamenten anlegen, um sich damit im Notfall längere Zeit versorgen zu können. Das entspricht einem Zuwachs von 6 Prozent im Vergleich zu 2023.
Obwohl so viele Hamburgerinnen und Hamburger bereits Vorsorgemaßnahmen treffen oder dies planen, halten es nur 59 Prozent von ihnen für möglich, persönlich von einer Naturkatastrophe betroffen zu sein.
Sturmfluten und Starkregen als größte Bedrohung
Auf die Frage, welche Naturkatastrophe die schwersten Folgen für Hamburg hätte, antworteten 68 Prozent der Befragten mit Sturmfluten und Überschwemmungen. Seit 2008, als die Studie erstmals durchgeführt wurde, gibt die Mehrheit der Befragten diese Antwort. Beate Ratter führt das einerseits auf die unmittelbare Nähe Hamburgs zur Elbe zurück. Andererseits, sagt sie, hätten Katastrophen wie die große Sturmflut 1962 das Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger über Generationen hinweg geprägt.
„Sturmfluten sind in den Köpfen der Hamburgerinnen und Hamburger immer eine Bedrohung“, sagt sie.
Ein neuer Höchstwert zeigt sich dieses Jahr auch bei Starkregen. 16 Prozent der Befragten sprachen sich dafür aus, dass dieses Wetterextrem die schwersten Folgen für Hamburg hätte. Das sind so viele wie noch nie. Für Hitzewellen stimmten dagegen nur 8 Prozent – knapp halb so viele wie 2023. Beate Ratter geht davon aus, dass die vom Regen verursachten Überflutungen in Niedersachsen und Süddeutschland innerhalb des vergangenen Jahres zu dieser Einstellung geführt haben.
Der Anteil der Hamburgerinnen und Hamburger, die den Klimawandel allgemein als große oder sehr große Bedrohung für ihre Stadt einschätzen, blieb mit 66 Prozent in diesem Jahr auf dem gleichen Niveau wie im vergangenen Jahr. Allerdings finden deutlich mehr Menschen (66 Prozent), dass die Folgen des Klimawandels schon jetzt spürbar sind. 2023 waren es 56 Prozent.
Beate Ratter fragt in ihrer Studie auch nach den größten Problemen in Hamburg allgemein. Diese offene Frage wird den Teilnehmenden vor allen anderen Fragen zum Klimawandel gestellt. Die Sorge um das Klima landet dabei auch in diesem Jahr mit 4 Prozent wieder ganz hinten. Der Mehrheit der Befragten bereitet hingegen der Verkehr in Hamburg die größten Sorgen (39 Prozent), gefolgt von Mieten und Wohnung (31 Prozent) und Bildungspolitik (18 Prozent). „Wir müssen akzeptieren, dass der Klimawandel als Problem für viele Menschen in unseren Breitengeraden nicht an erster Stelle steht. Er wird zwar als Problem wahrgenommen, konkurriert aber mit brisanten aktuellen und regionalen Problemen“, fasst Beate Ratter zusammen.
Chance für die Stadt Hamburg
Das Fazit der Studie: Die Menschen in Hamburg zeigen immer mehr Bereitschaft, selbst Vorsorgemaßnahmen für den Fall einer Naturkatastrophe zu ergreifen. Beate Ratter sieht darin eine Chance: „Hier kann die Stadt Hamburg andocken.“ Mit Katastrophenschutzübungen zum Beispiel. In Schulen, Unternehmen und öffentlichen Bereichen sollten diese noch öfter und intensiver durchgeführt werden, damit die Menschen lernen, wie sie sich im Notfall verhalten müssen. „Solche Übungen gibt es heutzutage kaum noch. Wir leben in einer Sicherheitsblase. Es geht darum, wieder Handlungsroutinen zu entwickeln, die die Menschen im Ernstfall abrufen können“, sagt Beate Ratter.