Öffentliche Stromnetze sind hochkomplexe Systeme. Die Hersteller von Windenergieanlagen müssen beim Anschluss neuer Anlagen technische Richtlinien einhalten, um die Stabilität der Stromnetze nicht zu gefährden. Forschende des Fraunhofer-Instituts für Windenergiesysteme IWES haben im Projekt »Mobil-Grid-CoP« eine mobile Testplattform entwickelt, die auch für Offshore-Windenergieanlagen im Freifeld realitätsnahe Tests unter Volllast ermöglicht. Die Technologie hilft bei der Validierung und Zertifizierung der Anlagen und unterstützt die Transformation der Energieversorgung hin zur verstärkten Nutzung erneuerbarer Energien.
Der Anschluss von Windenergieanlagen an das öffentliche Stromnetz stellt für die Hersteller eine enorme Herausforderung dar. Es genügt nicht, die Funktionsfähigkeit einer neuen Anlage zu testen, sie anzuschließen und in Betrieb zu nehmen. Neue Anlagen müssen gemäß der jeweils gültigen Anschlussrichtlinien in ihren elektrischen Eigenschaften Grenzwerte einhalten und dynamische Ereignisse wie Kurzschlüsse oder Frequenzschwankungen kompensieren. Erst wenn alle Tests und das Zertifizierungsverfahren durchlaufen sind, erhalten die Hersteller ihr Einheitenzertifikat.
»Das ist notwendig, denn Stromnetze sind hochkomplexe Systeme, und jede Windenergieanlage muss die Stabilität der Netze unterstützen«, sagt Gesa Quistorf, Gruppenleiterin Leistungselektronik und Netzintegration am Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme IWES in Bremerhaven.
Die Testsysteme, die ermitteln, ob neue Windenergie-Anlagen oder -Parks den Richtlinien genügen, geraten aber mit der zunehmenden Leistung und Größe der Anlagen an ihre Grenzen. Das gilt besonders für die großen Offshore-Windenergieanlagen auf dem Meer.
Das Fraunhofer IWES hat im Rahmen des Forschungsprojekts Mobil-Grid-CoP (Mobile Testeinrichtung für Grid-Compliance-Prüfungen) einen mobilen Prüfstand entwickelt, der auch sehr große Windenergieanlagen bis zu einer Leistung von 28 Megavoltampere (MVA) prüfen kann. Hersteller erhalten ihre Zertifizierung dadurch deutlich zügiger als bisher. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) fördert das Projekt mit 12,7 Millionen Euro.
Testsystem emuliert das öffentliche Netz
Aufgrund des enormen Zuwachses an Windenergieparks im Meer legten die Fraunhofer-Forschenden den Fokus auf große Offshore-Anlagen. Der Prüfstand ist daher für die typische Offshore-Spannungsebene von 66 Kilovolt (kV) ausgelegt, damit lassen sich auch große Anlagen unter realistischen Bedingungen mit Volllast testen.
»Unser Testsystem ist ein Netz-Emulator, der zwischen das öffentliche Netz und den Prüfling geschaltet wird und so dem Prüfling das elektrische Verhalten des Stromnetzes vorgaukelt. Das öffentliche Netz wird dabei in keiner Weise beeinträchtigt«, erklärt Quistorf.
Im Test überprüft das System in Echtzeit Eigenschaften wie beispielsweise das Verhalten bei Frequenzänderungen, kurzzeitigen Spannungsänderungen oder bei Netzfehlern wie etwa einem Kurzschluss. Bei jedem Ereignis muss die Windenergieanlage innerhalb von Millisekunden reagieren. Bei Kurzschlüssen und dem folgenden Spannungsabfall, beispielsweise von 66 kV auf null kV, muss die Anlage das Netz durch sogenannten Blindstrom stützen. Blindleistung ist im Gegensatz zur Wirkleistung keine nutzbare Leistung, die am Ende beim Verbraucher ankommt, sie wird aber für den Aufbau der Spannung im Netz benötigt.
Teststand in transportablen Großcontainern
Nur wenn der Prüfling alle erforderlichen Spezifikationen, Leistungsmerkmale und Fähigkeiten unter Beweis stellt, erhält er seine Einheitenzertifizierung und kann in Betrieb gehen. Der Prüfstand ist in Großcontainern untergebracht, die zum Standort der Anlage-Prototypen gebracht werden. Diese werden bei Offshore-Windenergieanlagen in der Regel an der Küste aufgebaut. In den Containern sind Komponenten wie Transformatoren oder Umrichter untergebracht. Bei den Komponenten nutzt das Fraunhofer-Team handelsübliche Standardmodule. Die Programmierung der Test- und Analyse-Software übernehmen die Forschenden.
Mobil-Grid-CoP bietet eine Reihe klarer Vorteile für die Windenergie-Branche: Hersteller haben die Möglichkeit, ihre Prototypen mit robusten, realitätsnahen und detaillierten Tests fit für die Zertifizierung zu machen. Damit senken sie das Risiko, die Anlagen vor der Inbetriebnahme noch nachbessern zu müssen und gelangen schneller zur Zertifizierung und Inbetriebnahme. Nachträgliche Upgrades oder Modernisierungsmaßnahmen an einer Anlage sind mit dem Prüfstand ebenfalls problemlos machbar. Am Fraunhofer IWES kann die mobile Testeinrichtung als Infrastrukturerweiterung durch den flexiblen Aufbau ebenfalls mit anderen Prüfständen kombiniert werden.
Testplattform für die Zukunft
Im Vergleich zu herkömmlichen Testsystemen gehen die Fraunhofer-Forscherinnen und -Forscher mit Mobil-Grid-CoP einen Schritt weiter. »Unser Ziel ist es, eine Technologie-Plattform zu entwickeln, die ein Szenarien-basiertes, flexibles Testen von Windenergieanlagen realisiert. Aufgrund der rasanten Entwicklung beim Umstieg auf erneuerbare Energien könnten schon in wenigen Jahren neue Anschlussrichtlinien gelten, die heute noch gar nicht bekannt sind. Mit Mobil-Grid-CoP sind wir dafür gerüstet«, erklärt Projektleiterin Quistorf.