Auf der heute beginnenden UN-Klimakonferenz soll über neue Zahlungen der Industriestaaten an ärmere Länder verhandelt werden. Doch ob und wie diese Zahlungen finanziert werden sollen, ist höchst umstritten. Die Studie eines internationalen Forschungsteams mit Beteiligung der Technischen Universität München (TUM) zeigt nun: Allein mit demjenigen Teil der Gewinne von Öl- und Gasunternehmen, der aufgrund der Energiekrise 2022 höher als erwartet ausfiel, hätten die bislang zugesagten Gelder der Industriestaaten für fast fünf Jahre gedeckt werden können. Die Forschenden empfehlen deshalb eine Besteuerung dieser sogenannten Übergewinne aus fossilen Brennstoffen.
Ein Schwerpunkt der UN-Klimakonferenz (COP 29) werden die Verhandlungen über die Finanzierung der Klimaziele sein. Die Industrieländer hatten zugesagt, dass 2020 bis 2025 jährlich 100 Milliarden US-Dollar an ärmere Länder für den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel fließen. Nun soll die Nachfolgevereinbarung, das New Collective Quantified Goal (NCQG), beschlossen werden. Doch zum einen wurden die Zusagen nicht vollständig eingehalten, zum anderen blieb bei den bisherigen Verhandlungen über das NCQG unklar, wie weitere Gelder aufgebracht werden sollen.
Ein internationales Forschungsteam hat deshalb einen der im Raum stehenden Vorschläge untersucht: eine Steuer auf Übergewinne von Unternehmen, die ihr Geld mit fossilen Brennstoffen verdienen. Eine Übergewinnsteuer schöpft Gewinne ab, die aufgrund einer besonderen Situation, zumeist einer Krise, höher sind als sie für eine gewöhnliche Lage zu erwarten gewesen wären. Eine solche besondere Situation war die Energiekrise nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine Anfang 2022. In diesem Jahr stiegen die internationalen Energiepreise sprunghaft an.
Das Forschungsteam untersuchte die veröffentlichten Gewinne des Jahres 2022 von 93 der weltweit größten Öl- und Gasunternehmen und verglich sie mit den Gewinnerwartungen von Analystinnen und Analysten zu Beginn des Jahres. Erwartet wurden insgesamt rund 753 Milliarden US-Dollar. Tatsächlich erzielten die Unternehmen Gewinne von insgesamt rund 1,243 Billionen US-Dollar. Die Übergewinne aufgrund der Krise beliefen sich also auf rund 490 Milliarden US-Dollar.
„Diese zusätzlich erzielten Profite nur eines Jahres belaufen sich annähernd auf die Summe, die den ärmeren Staaten für einen Fünfjahreszeitraum versprochen wurde“, sagt Studienleiter Florian Egli, Professor für Public Policy for the Green Transition an der TUM.
42 Prozent der Übergewinne bei staatlichen Firmen
Um beurteilen zu können, ob Regierungen diese Übergewinne hätten umverteilen können, untersuchten die Forschenden, aus welchen Ländern die Unternehmen stammen und ob sie sich in staatlicher oder privater Hand befinden. 42 Prozent der Übergewinne wurden von staatlich kontrollierten Firmen erzielt, der größte Anteil in Norwegen.
„Die Regierungen haben also die unmittelbare Möglichkeit, die aufgrund einer Krise erzielten Profite abzuschöpfen, um sie zur Bekämpfung der Klimakrise einzusetzen“, sagt die zweite Studienleiterin Dr. Anna Stünzi von der Universität St. Gallen.
Von den privatwirtschaftlichen Unternehmen, die Übergewinne erzielten, hatten 95 Prozent ihren Hauptsitz in Staaten, die sich auf einen Beitrag zur Klimaschutzfinanzierung verpflichtet haben. „Mit einer Steuer auf Übergewinne aus Öl und Gas könnten zumindest einige Industriestaaten Einnahmen generieren, mit denen sie ihre Versprechen gegenüber den ärmeren Ländern erfüllen könnten“, sagt Florian Egli. Unter den privatwirtschaftlichen Unternehmen ging gut die Hälfte dieser Gewinne (143 Milliarden Dollar) an Firmen in den USA. Weitere 37 Prozent wurden von Firmen in Großbritannien, Frankreich und Kanada gemacht. Fast alle Firmen haben ihren Sitz in G20-Staaten.
„Abkommen zur Mindeststeuer könnte Vorbild sein“
„Mehr als die Hälfte der weltweiten Treibhausgasemissionen sind auf die Verbrennung von Öl und Gas zurückzuführen. Gleichzeitig ist die Öl- und Gasindustrie seit jeher eine der profitabelsten Branchen“, sagt Florian Egli. „Ein internationales Abkommen, diese Gewinne zu besteuern, wäre sicher nicht leicht zu erreichen. Aber die Vereinbarung zur globalen Mindeststeuer für Unternehmen, die mehr als 130 Staaten 2023 unter dem Dach der OECD und der G20 getroffen haben, könnte ein Vorbild sein.“
Die Steuern könnten beispielsweise in einen Fonds fließen, sodass auch in Jahren ohne Übergewinne Gelder zur Verfügung stehen. Bislang hatte die EU 2022 eine vorübergehende Übergewinnsteuer auf fossile Brennstoffe eingeführt, in Großbritannien gilt eine solche Steuer bis 2030.
Die Forschenden weisen darauf hin, dass die Gewinne der Branche weltweit noch größer sind als die in der Studie genannten. Denn einige der größten Unternehmen, etwa aus Russland, Iran, Südafrika und Venezuela veröffentlichen ihre Zahlen nicht und konnten deshalb nicht in die Untersuchung einbezogen werden.
„Die Besteuerung von Übergewinnen könnte Investitionen in Öl und Gas eindämmen und auslaufen lassen, einen stabilen und effizienten Markt für saubere Energie aufbauen und dazu beitragen, die Finanzströme mit den Zielen des Pariser Abkommens in Einklang zu bringen“, sagt Studienautor Prof. Michael Grubb vom University College London (UCL). „Die Neuausrichtung der Einnahmen aus fossilen Brennstoffen im Einklang mit den Klimazielen sollte als nächstes auf der globalen Agenda stehen.“