Die fortschreitende Digitalisierung der Landwirtschaft ist eines der „heißen Themen“ der aktuell in Berlin stattfindenden Grünen Woche. Bei einem „Katerfrühstück“ auf der Zielgeraden der Leitmesse für Landwirtschaft, Ernährung und Gartenbau bot der WWF Deutschland Raum, mögliche Chancen und Risiken des technologischen Fortschritts auf dem Acker und im Stall auszuloten.
Können digitale Lösungen dazu beitragen, Landwirten ihre Arbeit zu erleichtern, Einkommen zu sichern und dabei noch Umwelt und Natur zu schützen? Wie steht es um die Datensicherheit und die wirtschaftliche Autonomie der Landwirte? Bringen Alexa, Twitter und Co. den Acker künftig wieder näher an die Stadt? Wer bestimmt derzeit, in welche Richtung sich digital unterstützte Landwirtschaft entwickelt?
Auf dem Podium begrüßte der WWF zu diesen Fragen drei Fachleute an der Schnittstelle von Landwirtschaft und Digitalisierung: Social Media Expertin Jutta Zeisset, Benedikt Bösel, Landwirt und Vorsitzender der Fachgruppe Agtech im Bundesverband Deutsche Startups, und Dr. Bernhard Schmitz, beim Landmaschinenhersteller AGCO GmbH zuständig für Smart Farming. Moderiert von Jörg-Andreas Krüger, Geschäftsleiter Naturschutz beim WWF Deutschland, diskutierten sie das Potenzial für Landwirte und Natur mit unterschiedlichen Einschätzungen und Erwartungen. Walter Haefeker, Digitalisierungsexperte und Präsident des europäischen Berufsimkereiverbandes, leitete die Runde mit einem Impulsvortrag ein.
„Digitale Lösungen werden zukünftig einen wachsenden Beitrag zu einer nachhaltigen Landwirtschaft leisten“, zeigte sich Dr. Bernhard Schmitz von der AGCO GmbH überzeugt, insbesondere vom Zusammenspiel neuer digitaler Steuerungstechniken mit Landmaschinen. Benedikt Bösel trat hinsichtlich der aktuellen Euphorie um die vermeintlichen Potenziale auf die Bremse: „Wir brauchen auch eine systemische Innovation, die vor allem ökologische und soziale Aspekte mit einbezieht.“ Betriebe jeglicher Größenordnung müssten die Chance haben, gesunde Lebensmittel herzustellen und gleichzeitig für verbesserte Bodenfruchtbarkeit zu sorgen.
Jutta Zeisset, die als Social Media Beraterin mittlerweile rund 300 Landwirtschaftsbetriebe ins Netz gebracht hat, sieht vor allem die Chancen, „ein realistischeres Bild der Landwirtschaft zu zeigen“. Über Facebook, Instagram und Twitter könnten Landwirte über ihre Arbeit in und für die Natur berichten. „So schaffen wir Transparenz und das ist aktuell wichtiger denn je“, so Zeisset. Neben der Landwirtschaft selbst, der Politik sowie Forschung und Industrie muss sich aus Sicht des WWF Deutschland auch die Zivilgesellschaft deutlich aktiver in die aktuelle Debatte um die Ausrichtung einer künftigen digitalisierten Landwirtschaft einmischen. „Wo Digitalisierung nur dem Fein-Tuning der bestehenden landwirtschaftlichen Systeme dient, ist für den Naturschutz nicht viel gewonnen“, unterstreicht Jörg-Andreas Krüger vom WWF Deutschland. Er plädierte jüngst im Rahmen einer Veranstaltung mit dem Industrieverband Agrar e.V. für einen „Neustart auf dem Acker“, der kommende digitale Möglichkeiten intelligent mit neuen Anbaustrategien und mehrgliedrige Fruchtfolgen koppelt.