Dünen mit künstlichen Deichen kombinieren

Düne am Nordstrand von Spiekeroog. Oliver Lojek/TU Braunschweig

Durch den sich beschleunigenden Klimawandel und den Anstieg des Meeresspiegels sind die Küstenregionen einer nie dagewesenen Bedrohung ausgesetzt. Traditionelle Methoden des Küstenschutzes müssen weiterentwickelt werden, um den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu begegnen. Hier setzt die Dünen-Deich-Lösung an: ein hybrider, naturbasierter Ansatz, der natürliche Dünen mit künstlichen Deichen kombiniert, um einen widerstandsfähigen, anpassungsfähigen und nachhaltigen Küstenschutz zu bieten. Das europäische Forschungsprojekt „DuneFront“ soll dazu beitragen, diesen naturnahen Küstenschutz voranzutreiben. Auch die Technische Universität Braunschweig ist daran beteiligt.

Herkömmliche Küstenschutzsysteme wie Deiche, Deckwerke und Ufermauern erweisen sich angesichts der wachsenden Bedrohung durch den Klimawandel zunehmend als zu wenig weitblickend. Steigende Meeresspiegel, stärkere Stürme und eine beschleunigte Küstenerosion erfordern anpassungsfähigere, zukunftsweisende Lösungen wie die Dünen-Deich-Lösung. Ein Hybridsystem, das die natürliche Pufferwirkung von Sanddünen mit der Stärke von künstlich errichteten Deichen kombiniert.

Dieser Ansatz soll dazu beitragen, widerstandfähige Küsten zu schaffen, die sich an den Anstieg der Meeresspiegel anpassen. Bei diesem nachhaltigen Küstenschutz spielt die Natur eine Schlüsselrolle beim Schutz der Küsten vor extremen Wetterereignissen und unterstützt gleichzeitig die lokalen Ökosysteme. In ganz Europa setzen Regionen, die von den Auswirkungen des Meeresspiegelanstiegs betroffen sind, auf hybride, naturbasierte Lösungen, da sie einen langfristigen Schutz mit geringeren ökologischen Nachteilen bieten als herkömmliche starre Infrastrukturen.

„DuneFront“: Ein europäisches Forschungsprojekt, das den Weg weist

Das europäische Verbundforschungsprojekt „DuneFront“ zielt darauf ab, die sogenannten Dünen-Deich-Systeme besser zu verstehen und die Umsetzung von Lösungen für Dünen voranzutreiben. „DuneFront“ bringt Expertinnen und Experten führender europäischer Forschungsinstitute zusammen. Gemeinsam werden sie die Hybridsysteme unter realen Bedingungen testen und weiterentwickeln.

Professor Nils Goseberg, Leiter des beteiligten Leichtweiß-Instituts für Wasserbau der TU Braunschweig erklärt: „Die Nutzung natürlicher Prozesse wie des windgetriebenen Sandtransports zur Nährung der Dünen im Sommer für den Aufbau von Weißdünen zum Schutz vor Sturmfluten und hohem Seegang im Winter ist eine kluge, nachhaltige und naturverträgliche Lösung. Sie verfolgt den Ansatz ‚mit der Natur und nicht dagegen‘“.

Dr. Oliver Lojek, Teilprojektleiter im „DuneFronts“-Projekt ergänzt: „Unsere experimentellen Forschungsaktivitäten und die Entwicklung von Simulationsmethoden werden helfen, die Dünen-Deich-Kombinationen besser prognostizierbar zu machen. Damit können der Planungspraxis direkte Werkzeuge an die Hand gegeben werden.“

„DuneFront“ sammelt und bewertet Daten aus zwölf verschiedenen bestehenden Dünen-Deich-Systemen in sechs verschiedenen Ländern. Das Projekt soll wertvolle Daten und Erkenntnisse liefern, die in die nationale und regionale Politik einfließen und sicherstellen, dass der künftige Küstenschutz sowohl wirksam als auch nachhaltig ist.

Dünenmodelle im Wellenkanal

Im Rahmen von „DuneFront“ entwickelt das Leichtweiß-Institut für Wasserbau an der TU Braunschweig aus diesen Daten numerische Modelle europäischer Standorte und untersucht Erosions- und Wachstumsprozesse unter verschiedenen Randbedingungen und möglichen zukünftigen Klimaszenarien. Ziel der Forschung ist es, standortspezifische Stärken zu identifizieren, um mögliche Transferfunktionen in ganz Europa herauszufiltern. Damit soll die natürliche Widerstandsfähigkeit von Dünen-Deich-Hybridsystemen verbessert und diese fit(ter) für die Herausforderungen des Klimawandels gemacht werden.

Darüber hinaus wird das Leichtweiß-Institut umfangreiche physikalische Experimente durchführen. Für diese Versuche werden in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Berlin Dünenmodelle im Maßstab 1:5 erstellt. Ergänzt werden die Experimente durch weitere Laborkampagnen an der Universität Gent und Flanders Hydraulic sowie an der Technischen Universität Delft.

Kultivierung von Dünenvegetation am Leichtweiß-Institut für Wasserbau. Oliver Lojek/TU Braunschweig

In Braunschweig kultivieren die Wissenschaftler auf den Dünenmodellen über einen längeren Zeitraum lebende Dünenvegetation. Diese Dünenmodelle werden dann in einem 90 Meter langen Wellenkanal des Instituts installiert und Sturmflutbedingungen ausgesetzt, um ihr Erosionsverhalten zu beobachten und zu bewerten. Ziel dieser komplexen Versuchsreihe ist es, das Wissen über mögliche erosionsmindernde Effekte der Vegetation zu vertiefen. Die Labordaten dienen als Grundlage für die Verfeinerung und Weiterentwicklung numerischer Modelle für die Demonstrationsstandorte in ganz Europa.

Ausweitung der Nutzung von Dünen-Deich-Systemen in ganz Europa

Während Küstennationen wie die Niederlande seit langem Vorreiter beim Küstenschutz sind und bereits erste Erfahrungen mit Dünen-Deich-Lösungen gesammelt haben, gewinnt diese Lösung nun in vielen Teilen Europas an Bedeutung. Die Niederlande, aber auch Länder wie Deutschland, Schweden, Dänemark, Belgien, Frankreich und Portugal erforschen diesen hybriden Ansatz jetzt konzertiert gemeinsam und wenden ihn auf gefährdete nationale Küstengebiete an.