Unterwegs in der Tiefsee vor den Kapverdischen Inseln

Artenvielfalt und Nahrungsnetze der Tiefsee will die Forschungsfahrt M209 vor den Kapverdischen Inseln erforschen. Foto: Tobias Hahn, GEOMAR

Dieses Wochenende ist die Expedition M209 „BASIS“ unter der Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel gestartet. Ein internationales Team untersucht mit dem Forschungsschiff METEOR die weitgehend unerforschte Tiefsee vor den Kapverdischen Inseln. Dafür wird der Meeresboden an Inseln und Unterwasserbergen, sogenannten Seamounts, kartiert sowie die Lebensgemeinschaften und Nahrungsnetze beobachtet, dokumentiert und beprobt – von der Wassersäule bis zum Meeresboden. Dabei kommt auch der GEOMAR-Unterwasserroboter ROV KIEL 6000 zum Einsatz, der bis zu 6.000 Meter tief tauchen kann.

Der küstennahe Ozean vor den Kapverden besteht zu mehr als 90 Prozent aus Tiefsee (Gewässer, die tiefer als 200 Meter sind) und ist noch weitgehend unerforscht. Ein internationales Forschungsteam ist nun mit dem Forschungsschiff METEOR aufgebrochen, um die biologische Vielfalt, Nahrungsnetze und die Interaktion von Lebewesen in der Wassersäule (mesopelagische Zone), auf dem Meeresboden (benthische Zone) und über dem Meeresboden (benthopleagische Zone) zu untersuchen.

„Die Bedingungen vor Santa Antao und den anderen kapverdischen Inseln sind einzigartig. Wir können küstennah arbeiten, profitieren aber trotzdem von den geschützten Bedingungen und können in Tiefsee-Lebensräumen arbeiten, die im offenen Ozean normalerweise schwer zugänglich sind“, erklärt Fahrtleiter und Meeresbiologe Dr. Henk-Jan Hoving vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.

Die Expedition ist Teil einer Forschungsreihe, die sich auf In-situ-Beobachtung von Tiefseeorganismen rund um die makaronesischen Inseln konzentriert.

Kapverdische Forschende an Bord

An der Expedition nehmen auch drei kapverdische Wissenschaftler:innen mit unterschiedlichen Forschungsschwerpunkten teil: Rui Freitas, Fischexperte mit Interesse an Korallenriffen von der kapverdischen Universidade Técnica de Atlantico (UTA) und Keider Neves, Spezialist für Krustentiere, der zum Ziel hat, neue kapverdische Arten zu beschreiben. Ebenfalls an Bord ist Vanessa Lopes, die während der Expedition Wale und Seevögel untersucht und sich mit der Bewertung des wissenschaftlichen Bedarfs kleiner Inselentwicklungsstaaten beschäftigt.

„Die Expedition M209 unterstützt die Datenerfassung und das Lernen über die biologische Vielfalt der Tiefsee in verschiedenen Regionen von Cabo Verde, von denen einige für ein Meeresschutzgebiet vorgeschlagen sind. Darüber hinaus wird der Wissensaustausch und die Weitergabe von Kenntnissen an junge Biologen und Biologinnen aus Cabo Verde unterstützt, die hoffen, die Tiefsee in ihrer Heimat weiter erforschen zu können“, sagt Vanessa Lopes, die an der Universität von Edinburgh promoviert.

Derzeit stehen nur etwa 7,7 Prozent der Gesamtfläche der Ozeane unter Schutz. Cabo Verde ist als Hotspot biologischer Vielfalt bekannt. Ziel von Meeresschutzgebieten ist es, natürliche Lebensräume, eine nachhaltige Bewirtschaftung und die biologische Vielfalt zu erhalten. Mit der Erhebung grundlegender biologischer Daten will das Forschungsteam Informationen sammeln, die von den kapverdischen Wissenschaftler an Bord und ihren Organisationen eingeholt werden und zur Gestaltung und zum Vorschlag von Meeresschutzgebieten in den Gewässern von Cabo Verde beitragen können.

Weite Teile des kapverdischen Archipels noch nicht kartiert

Ein wichtiges Ziel der Expedition ist die Kartierung des Meeresbodens rund um die Inseln und der Unterwasserberge.

„In vielen Regionen von Cabo Verde wissen wir immer noch nicht, wie tief der Meeresboden tatsächlich ist und wie die Morphologie des Meeresbodens aussieht“, sagt Mareike Keller, Co-Fahrtleiterin und Teil der Deep Sea Monitoring Gruppe am GEOMAR.

Dieses Grundwissen spielt eine wichtige Rolle für den Schiffsverkehr in Cabo Verde, aber auch für künftige Kampagnen, die Instrumente auf dem Meeresboden einsetzen wollen. Ein Beispiel ist die bevorstehende internationale Beobachtungskampagne FUTURO (Future West African Marine Ecosystems), die von 2028 bis 2030 vor der westafrikanischen Küste durchgeführt werden soll.

Parallel zur M209-Expedition verbringt auch das Forschungsschiff OceanXplorer einige Tage vor den Kapverdischen Inseln. Der Aufenthalt ist Teil der 2,5-monatigen „Around Africa Expedition“ mit afrikanischen Wissenschaftlern. Eine gemeinsame Anstrengung von zwei gemeinnützigen Organisationen zur Erforschung der Ozeane – OceanX und dem neu gegründeten OceanQuest. Während ihres gemeinsamen Aufenthalts vor der Küste und am Unterwasserberg Nola (Seamount Nola) werden die Wissenschaftler an Bord der METEOR und der OceanXplorer gemeinsame Messungen durchführen und in direktem Kontakt stehen. Ein solcher gemeinsamer wissenschaftlicher Einsatz mit einer Vielzahl von ozeanographischen Instrumenten ist auch für die Forschungskampagne FUTURO vorgesehen.

Fragile und schwer zu erforschende Lebewesen

Tief unter der Oberfläche, in der Mitte der Wassersäule, lebt eine große Vielfalt von Organismen – darunter Quallen, Krebstiere, Laternenfische und Kopffüßer. Diese Gemeinschaft ist die Nahrung für viele kommerziell genutzte Fische wie Thunfisch. Jedoch ist weitgehend unbekannt, wovon sie sich ernähren. Einige verzehren möglicherweise totes Material (Meeresschnee), das aus der darüber liegenden Wassersäule herabsinkt, andere wiederum fressen lebende Beute.

Um das Nahrungsnetz zu untersuchen, wollen die Forschenden gelatinöses Plankton, z. B. Quallen, sammeln, um herauszufinden, welche Rolle diese durchsichtigen und empfindlichen Organismen im Nahrungsnetz spielen. Um die empfindlichen Tiere zu sammeln und zu untersuchen, setzen sie eine Kombination verschiedener Methoden ein. Da es fast unmöglich ist, gelatinöses Plankton mit Netzen zu fangen und unversehrt an Bord zu bringen, wird der ferngesteuerte Unterwasserroboter ROV KIEL 6000 eingesetzt, um lebende Tiefseeorganismen zu fangen.

Die Tiere werden später im Labor fotografiert und die Proben für Studien zum Nahrungsnetz verwendet. Außerdem werden Schleppkameras mit akustischen Sensoren eingesetzt, um die Verteilung und Biomasse in der Wassersäule zu untersuchen. Schließlich wird das Wasser aus verschiedenen Tiefen gefiltert, um die von den Tieren zurückgelassene Umwelt-DNA zu erfassen. Dadurch lassen sich Tiere aufspüren, die Forschungsinstrumente meiden.

Wo zwei Welten aufeinandertreffen

Ein weiteres Ziel der Expedition M209 ist es, die Interaktion zwischen Tieren in der Wassersäule und dem Meeresboden zu erforschen.

„An einigen Stellen rund um die Inseln und Seeberge prallen möglicherweise zwei Welten aufeinander. Wir erwarten, dass Meeresorganismen in der Mitte der Wassersäule von 400-500 Metern in einigen Regionen auch nahe dem Meeresboden vorkommen“, sagt Hoving.

Viele Organismen führen zudem vertikale Migrationen durch und wandern nachts von der Tiefe nach oben, um von der Nahrung im flacheren Wasser zu profitieren. Henk-Jan Hoving: „Diese Organismen können während ihrer anschließenden Abwärtswanderung mit dem Meeresboden in Berührung kommen und so zur Nahrung für Organismen am Meeresboden werden. Mit Blick auf die steilen Inselhänge und Unterwasserberge können diese Wechselwirkungen besonders intensiv sein.“