Der Klimawandel treibt die weltweit häufigste Todesursache an

Der Tod auf Sylt. Foto: Die Linde

Umweltfaktoren wie Feinstaub, Lärm, Hitze und Umweltgifte können das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die weltweit häufigste Todesursache, deutlich erhöhen. Das berichtet ein internationales Forschungsteam in einer in der Zeitschrift Cardiovascular Research veröffentlichten Übersichtsarbeit. Besonders groß sind die schädigenden Auswirkungen laut den Erkenntnissen der Wissenschaftler:innen, wenn mehrere Umweltbelastungen gleichzeitig bestehen. Nach Ansicht der Expert:innen sollten daher die Gesamtheit der verschiedenen Umweltfaktoren und ihre vielfältigen Wechselwirkungen – das sog. Multimodale Exposom – eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von Präventionsmaßnahmen einnehmen.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen, auch kardiovaskuläre Erkrankungen genannt, umfassen eine Vielzahl von Krankheiten, die das Herz und die Blutgefäße betreffen. Dazu gehören beispielsweise Herzinfarkt, Schlaganfall, Koronare Herzkrankheit (KHK), Bluthochdruck, Herzinsuffizienz und Herzrhythmusstörungen. Die Erkrankungen stellen weltweit die führende Todesursache dar.

In Deutschland sind sie nach Angaben des Robert Koch-Instituts für etwa 40 Prozent aller Sterbefälle verantwortlich. Dementsprechend groß ist der Bedarf an wirkungsvollen Strategien zur Vorbeugung der Krankheiten und damit auch an Kenntnissen zu den Risikofaktoren. Gut bekannt ist, dass Übergewicht, Diabetes, Rauchen, Bewegungsmangel sowie eine ungesunde Ernährung entscheidend zur Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen beitragen.

Umweltstressoren beeinträchtigen die Herz-Kreislauf-Gesundheit

Ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung der Universitätsmedizin Mainz warnt jetzt in einer Übersichtsarbeit vor einer weiteren, in aktuellen Präventionsstrategien bisher wenig berücksichtigten Gruppe von Risikofaktoren: Die Experten berichten im renommierten Fachjournal Cardiovascular Research, dass Lärm, Feinstaub, Hitzewellen und chemische Belastungen von Boden und Wasser eine gefährliche Wirkung auf das Herz-Kreislauf-System entfalten können.

Die wichtigsten in der aktuellen Publikation dargestellten Erkenntnisse zu den Auswirkungen von verschiedenen Umweltbelastungen auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit sind:

• Dauerhafter Verkehrslärm aktiviert Stresshormone, stört den Schlaf und verursacht Bluthochdruck sowie Gefäßentzündungen.

• Insbesondere ultrafeine Staubpartikel (PM2,5, UFP) gelangen über die Lunge in den Blutkreislauf und fördern oxidativen Stress, Endothelschäden und Arteriosklerose.

• Immer häufigere Hitzewellen belasten besonders ältere und herzkranke Menschen. In Städten kommt es durch versiegelte Flächen und fehlendes Grün verstärkt zu „Hitzeinseln“, die das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle erhöhen.

• Rückstände von Pestiziden, Schwermetallen und PFAS (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen), die sich kaum oder gar nicht abbauen, im Boden und im Wasser gelangen über Nahrung und Trinkwasser in den Körper. Erste Studien zeigen, dass diese Schadstoffe Entzündungen verstärken, die Gefäßfunktion beeinträchtigen und langfristig das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen können.

Multimodales Exposom verstärkt Belastungen

Besonders bedenklich ist laut den Erkenntnissen der Wissenschaftler:innen eine Kombination von mehreren Umweltbelastungen: Das sogenannte Multimodale Exposom kann die schädigenden Auswirkungen der einzelnen Umweltstressoren deutlich vergrößern.

„Lärm verstärkt die Wirkung von Luftschadstoffen und Hitze wirkt wie ein Katalysator für vaskuläre Schäden durch Toxine“, erläutert Univ.-Prof. Dr. Thomas Münzel, Seniorprofessor am Zentrum für Kardiologie – Kardiologie I der Universitätsmedizin Mainz und einer der Autoren der Übersichtsarbeit. „Die biologischen Schnittmengen reichen von oxidativem Stress über die Aktivierung des entzündungsfördernden Enzyms NOX-2 bis zur Endotheldysfunktion – allesamt frühe Wegbereiter für den Herzinfarkt und den Schlaganfall“, ergänzt Professor Münzel.

Das Exposom-Konzept bietet einen ganzheitlichen Ansatz, der die komplexen Wechselwirkungen zwischen Umweltbelastungen und biologischen Reaktionen im Laufe des Lebens einer Person berücksichtigt, um sie in die Bewertung des Herz-Kreislauf-Risikos einzubeziehen und geeignete Präventionsstrategien zu entwickeln. Strengere Umwelt- und Lärmschutzgesetze, eine nachhaltige Stadtplanung und grüne Infrastruktur können helfen, die Belastungen durch Umweltstressoren zu reduzieren, betonen die Wissenschaftler:innen in der Übersichtsarbeit.