
Durch die Bestäubung von Nutzpflanzen leisten Insekten einen wichtigen Beitrag zur Lebensmittelproduktion und Ernährungssicherheit. Doch die Populationen von Bestäuberinsekten sind seit Jahren rückläufig. Ein Ziel der EU-Biodiversitätsstrategie ist daher, bis 2030 auf mindestens zehn Prozent der landwirtschaftlichen Flächen Landschaftselemente mit großer biologischer Vielfalt zu schaffen. Das soll helfen, den Biodiversitätsrückgang im Allgemeinen und besonders den Verlust von Bestäuberinsekten aufzuhalten.
Diese Zielvorgaben reichen jedoch nicht aus, wie eine neue Studie unter der Leitung der Universität Wageningen mit Beiträgen der Universität Freiburg zeigt, die nun in Science veröffentlicht wurde. Die Forschenden werteten insgesamt 59 Studien aus 19 Ländern aus und kamen zu dem Schluss, dass Insekten mindestens 16 bis 37 Prozent natürlichen oder halbnatürlichen Lebensraum in landwirtschaftlichen Gebieten benötigen, um ihren wirksamen Schutz zu gewährleisten. Entscheidend sei aber nicht nur die Größe der Flächen, sondern auch die Qualität der Lebensräume, so die Forschenden.
Es braucht mehr naturnahe Flächen und eine bessere Qualität der Lebensräume
Die Studie untersuchte, wie die Flächenanteile und die Qualität von natürlichen Lebensräumen die Populationen wilder Bestäuberinsekten wie Wildbienen, Hummeln, Schwebfliegen und Schmetterlingen beeinflussen. Das Ziel der Forschenden war es, angesichts des besonders in Agrarlandschaften starken Biodiversitätsverlustes faktenbasierte Zielvorgaben zu ermitteln, mit denen Bestäuberpopulationen effektiv geschützt werden können. In die Studie flossen auch Daten ein, die Dr. Vivien von Königslöw im Rahmen ihrer Promotion an der Professur für Naturschutz und Landschaftsökologie der Universität Freiburg erhob.
Für alle Artgruppen wurde dieselbe Beziehung festgestellt: Je mehr natürlicher Lebensraum vorhanden ist, desto mehr Bestäuber gibt es in landwirtschaftlichen Gebieten. Die Mindestflächenanteile für den Erhalt von Populationen unterschieden sich dabei zwischen den Artgruppen. Für stabile Bestände von Schwebfliegen genügt es, wenn sechs Prozent der Flächen natürliche und halb-natürliche Lebensräume bieten, während Schmetterlinge 37 Prozent benötigen. Die für die Bestäubung von Nutzpflanzen besonders wichtigen Wildbienen und Hummeln brauchen 16 bis 18 Prozent natürliche Flächenanteile. Diese Mindestwerte für das Populationswachstum liegen höher als die meisten politischen Vorgaben.
Ist eine Vergrößerung der naturnahen Flächen nicht möglich, sind deutliche Verbesserungen der Habitatqualität – das heißt vor allem mehr und vielfältigere Blütenpflanzen – notwendig, um vergleichbare positive Effekte zu erzielen. So konnten die Forschenden zeigen, dass in Lebensräumen mit mehr Blütenpflanzen mehr Bestäuber vorkommen als in Gebieten mit wenig Blüten.
„Doch es reicht auch nicht aus, Bestäubern nur Blüten, also Nahrung, anzubieten, ohne ihnen einen dauerhaften Wohnort zum Nisten und Überwintern zu geben“, sagt Dr. Felix Fornoff, Co-Autor der Studie und wissenschaftlicher Assistent an der Professur für Naturschutz und Landschaftsökologie der Universität Freiburg.
Zudem hat die Verbesserung der Lebensraumqualität nur anfangs einen starken positiven Effekt auf die Insektenpopulationen; dieser flacht bei weiteren Verbesserungen ab. „Deshalb ist es besser, zunächst die Fläche natürlicher Lebensräume zu vergrößern, statt viele kleine Lebensräume zu bewirtschaften – auch wenn sie viele Blüten enthalten“, sagt Erstautorin Gabriella Bishop von der Universität Wageningen.
Landwirtschaft muss für den Erhalt von Lebensräumen entlohnt werden
Der Schutz von Bestäubern in Europas Agrarlandschaft konzentriert sich aktuell stark auf vorübergehende Maßnahmen auf kleinen Flächen, wie beispielsweise Blühstreifen entlang von Feldern. Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass dies zu einem vorübergehenden Anstieg der Insekten- und Bestäuberpopulationen führt. Die neue Studie zeige, dass viel mehr Lebensraum benötigt wird und dass die Qualität der neuen Lebensräume langfristig gewährleistet sein muss, so Prof. Dr. Alexandra-Maria Klein, Co-Autorin der Studie, Professorin für Naturschutz und Landschaftsökologie der Universität Freiburg sowie Principal Investigator des Exzellenzclusters Future Forests:
„Um wirklich einen Unterschied zu machen, sollten Landwirt*innen für die Schaffung und den langfristigen Unterhalt von natürlichen Lebensräumen belohnt werden. Idealerweise für mindestens 20 Jahre, denn dies bietet Landwirt*innen Sicherheit und gewährleitet einen größeren Nutzen für Bestäuber.“