Ob Mississippi oder Quellbach – im Sediment halten Mikroben unermüdlich zentrale Stoffkreisläufe im Gleichgewicht. Doch mit steigenden Temperaturen arbeiten sie vermehrt im Stressmodus. Das zeigt eine internationale Studie unter Leitung der Universität Duisburg-Essen, für die Erbgut und mRNA aus über 20 nordamerikanischen Flüssen untersucht wurden. Die Ergebnisse, die kürzlich im Fachjournal Microbiome erschienen sind, bestätigen Muster, die auch in europäischen Gewässern beobachtet wurden.
Viele verbinden den Begriff Mikrobiom mit dem menschlichen Körper. Doch auch in Flüssen und Bächen existieren komplexe mikrobielle Lebensgemeinschaften, die für stabile Ökosysteme unverzichtbar sind. „Im Sediment, dort wo Grund- und Flusswasser aufeinandertreffen, sorgen unzählige Mikroben dafür, dass Stickstoff- und Schwefelkreisläufe funktionieren“, erklärt Alexander Probst, Professor für Environmental Metagenomics an der Universität Duisburg-Essen (UDE) sowie Forschungsprofessor am Research Center One Health Ruhr der Universitätsallianz Ruhr.
Um diese Gemeinschaften besser zu verstehen, untersuchte sein Team Wasserproben und die oberste Sedimentschicht aus 23 nordamerikanischen Flüssen. Eingebettet in ein groß angelegtes Citizen-Science-Projekt der Colorado State University entstanden so umfassende Datensätze aus 363 Proben. Mit einer Kombination aus Metagenomik, die das genetische Potenzial einer Gemeinschaft sichtbar macht, und mRNA-Analysen, die zeigen, welche Gene tatsächlich aktiv sind, konnten die Forschenden das Funktionsspektrum der Mikroben präzise erfassen.
Dabei offenbarte sich ein klarer Unterschied: Während Mikroben in Wasser und Sediment ähnliche genetische Eigenschaften besitzen und vergleichbare Stoffwechselfunktionen übernehmen, stehen die Sedimentgemeinschaften dauerhaft unter Stress. „Sie sind intensiv mit der Umwandlung von Schwefel- und Stickstoffverbindungen beschäftigt und aktivieren dabei auffallend viele Stress-Gene – darunter solche, mit denen sie Hitzeschutz-Proteine aufbauen“, so Dr. Lennard Stach, Erstautor der Studie. „Natürlich reagieren Mikroben immer wieder auf Temperaturschwankungen. Aber wir sehen über ganz Nordamerika hinweg eine ähnliche Stressantwort, unabhängig vom Standort.“
„Die Fluss-Mikrobiome sind zwar hochgradig anpassungsfähig“, resümiert Probst. „Mit steigenden Temperaturen und häufigeren Extremereignissen im Zuge des Klimawandels wächst dieser Anpassungsdruck – mit möglichen Folgen für die Stabilität ganzer Ökosysteme.“
Um Flüsse anderer Kontinente in den an der UDE angesiedelten Sonderforschungsbereich RESIST (SFB 1439) einzubinden, absolvierte Dr. Lennard Stach einen Forschungsaufenthalt an der Colorado State University. Die Kooperation machte deutlich: Die in nordamerikanischen Flüssen beobachteten Muster stimmen mit Ergebnissen aus Deutschland überein. Dort hatten UDE-Wasserexpert:innen in künstlich angelegten Mini-Flussökosystemen gezielt Stressfaktoren wie Hitze oder Salz untersucht – mit ähnlichen Reaktionen der Mikroben.
Redaktion: Juliana Fischer
