Von unserem Gastautoren Eric Klausch
Fridays for Future ist die Bewegung, bei der verwöhnte Schülerinnen und Schüler freitags die Schule schwänzen und sich für Luxusprobleme einsetzen. Es ist eine unpolitische und uninteressierte Generation, die nur den nächsten Hype sucht, um ihren Instagram Feed zu füttern und etwas zu erleben. Wer also nicht gerade Fortnite spielt oder als Influencer Eye Liner bewirbt, geht halt auf die Straße. Es ist Zeit, dem ein Ende zu setzen. Junge Menschen gehören in die Schule und sollten sich für unsere Gesellschaft einsetzen. Beispielsweise brauchen wir dringend Lehrer, Ärzte, Handwerker und Pflegekräfte. Besonders im ländlichen Raum braucht es Menschen mit guten Bildungsabschlüssen, die sich um die dringenden Probleme kümmern, anstatt in den Städten rumzuschreien, Matetee zu schlürfen und auf dem REWE-Parkplatz zu hängen.
We must panic!
Das ist eine Sichtweise auf die Demonstrationen, die seit etlichen Wochen inzwischen in über 40 Ländern stattfinden. Ich kann sie nachvollziehen. Sie macht vollkommen Sinn, wenn man den Klimawandel leugnet, seine Gefahren nicht verstanden hat oder es einem einfach egal ist, wie unser Planet in 30 Jahren aussieht. Wenn die UN und Klimaforschenden Recht haben, dann hat Greta Thunberg Recht: We must panic!
Wir haben keine Zeit zu verlieren, jede Minute zählt. Jede Tat. Aber es reicht nicht, im Geschäft einmal zu den lokalen Äpfeln zu greifen. Ja auch da fängt Nachhaltigkeit und Klimaschutz an, aber wenn wir dann mit dem SUV nach Hause fahren und die ganze Straße mit Kohlestrom beleuchtet wird, dann beruhigen die Äpfel vielleicht das Gewissen, aber nicht das Klima! Es müssen große, systemverändernde Entscheidungen her! Und deswegen muss gestreikt werden! Die Politik muss sich entscheiden: Geht es ihr um kurzfriste Wahlerfolge oder geht es ihr darum, dass Richtige zu tun? Im Ersteren Fall haben wir alle verloren. Wir haben verloren, weil das Klima keine Kompromisse macht. Es kümmert sich nicht um Arbeitsplätze, die Rendite von RWE- Anlegenden oder die Karriere von Verkehrsministern. Das Klima ist nicht Politik, das Klima ist kein soziales Konstrukt, es ist harte Physik. Es kennt keine Gnade, aber es spielt auch keine Spiele.
Laut UN wird in 11 Jahren der Point of No Return erreicht
Es diktiert und wir haben uns nach dem Klima zu richten. Demzufolge ist es das einzig Richtige jetzt auf die Kinder und Jugendlichen zu hören, die einfach nur darum bitten, den Fakten gemäß zu handeln. Ansonsten werden, durch das Steigen des Meeresspiegels und Wetterextreme, eine halbe Milliarde Menschen zu Geflüchteten (bei einer Million nannten wir es bereits eine Krise). Laut UN wird bereits in 11 Jahren der Point of No Return erreicht. Danach haben wir das Klima aus der Hand gegeben. Aber es gibt noch einen zweiten Grund. Im Vergleich mag dieser wesentlich weniger wichtig erscheinen, aber vielleicht hören die Politiker ja auf das Kurzfristige, wenn ihnen eine Klimakatastrophe in 30 Jahren schon egal scheint. Wir verlieren eine, manch einer mag sagen „noch eine“ Generation. Die sogenannte Generation Z, die jeden Freitag auf der Straße steht, hat die Flüchtlingskrise erlebt. Es ist eine Generation, die sich online besser zurechtfindet, als offline. Sie ist so vernetzt, so wohlhabend, interkulturell und so gebildet, wie keine Generation vor ihr.
Die Etablierten haben den Flächenbrand noch nicht bemerkt
Die Eliten sollten sie fürchten, denn diese Generation erhebt sich gerade zum Aufstand. Genau genommen begann der Aufstand in der Generation Y, in meiner Generation. Wir haben uns gegen Jobs im System entschieden. Jedes Mal, wenn ein Ausbildungsplatz frei blieb, ein Studium um ein Semester verlängert wurde und der Lebenslauf um ein weiteres Jahr Reisen erweitert wurde, steckte ein Stück Protest darin. Es war ein stiller, man mag sagen ohnmächtiger Protest gegen das System. Aber wir haben unseren Unmut zum Ausdruck gebracht und das System wackelt!
Trauriges Beispiel: Mecklenburg-Vorpommern
An manchen Orten, wie in meiner Heimat Mecklenburg Vorpommern, droht das System sogar zu kollabieren. Der Fachkräftemangel an Lehrpersonal führte dazu, dass ich, ohne jegliche pädagogische und fachliche Ausbildung, von heute auf morgen Lehrer wurde. Ich schickte einfach mein Uni Zeugnis ein, mit den Abschlüssen B.A. Studium Individuale und M.Sc. im kritischen Management. Freitag erhielt ich einen Anruf beim Snowboard fahren, Mittwoch hieß es:
„Sie unterrichten dann ab Montag Englisch und überlegen Sie es sich bitte nochmal: Wir brauchen Sie wirklich Vollzeit und würden uns sehr freuen, wenn wir einen Vertrag über die sechs Monate hinaus schließen können!“. So einfach geht das. Ich bin Lehrer und wenn das nicht erschreckend genug ist: In den nächsten 12 Monaten werden acht der 16 Lehrkräfte an meiner Schule in Ruhestand gehen.
Die Generation Z kommuniziert jetzt besser
Unser Aufstand wurde fehlinterpretiert. Die Generation Z kommuniziert besser und sie hat Anführer – Anführerinnen, um genau zu sein. Und sie haben kein Problem damit, dass Frauen zu Idolen wurden. Auch nicht, wenn sie Asperger Syndrom haben und ihre Lebensläufe unbeschrieben sind. Es zählt die moralische Glaubhaftigkeit, die durch die sozialen Medien völlig transparent ist. Und es zählt Vernetzung. Zugegeben: Unsere Generation hat keine stark vernetzten Eliten. Vielleicht muss und wird sich das ändern, aber die digitalen Zeiten spielen uns in die Hände. Wenn Fridays for future.de etwas auf Instagram postet, dann sehen es tausende, ohne auch nur einen Cent dafür in Lobby und Print gesteckt zu haben.
Die größte Schülerbewegung der Geschichte
Fridays for Future ist das Gesicht der Generation Z. Es ist die größte Schülerbewegung, die es in der Geschichte gegeben hat. Aber es ist auch das erste Mal, dass einer Generation ihre gesamten Lebensgrundlage entzogen wird. Die Politik muss ihre Forderungen diskutieren, ernst nehmen und umsetzen. Aus Klimapolitischer Sicht ist dies das einzig Vernünftige, aber auch für die Zukunft unserer westlichen Demokratien. Denn wenn die jungen Menschen erleben, dass ihre Stimme und Zukunft weniger Gewicht hat, als die Stimmen der Lobbyisten, dann sehe ich zwei Optionen: Die Schüler*innen werden sich radikalisieren oder resignieren.
Beide Optionen wären wirklich Gift für die derzeitige politische Lage in den westlichen Demokratien. Im ersteren Fall würde ein Kampf der Generationen beginnen. Junge Menschen würden ein komplettes Parallelsystem aufbauen, natürlich ohne Steuern zu zahlen, mit Verachtung gegenüber den Staatsgewalten und sie würden jede Möglichkeit nutzen, um das Establishment zu behindern. In Ansätzen haben wir derartige Ausschreitungen bei den Atomprotesten, im Hambacher Forst und durch die Gelbwesten in Frankreich erlebt. Diese Option möchte ich mir nicht ausmalen.
Flucht in digitale Scheinwelten
Wenn die Generation resigniert und sich in digitale Scheinwelten flüchtet, dann droht das System am Boykott zu kollabieren, wie es durch den Lehrkräftemangel ja bereits geschieht. Sie wird sich kampflos den Populisten, Konservativen und Lobbyisten ergeben und ihnen die Macht überlassen. Die Selbstmordraten werden rapide steigen, die Sinnsuche wird in hedonistischen Ekstasen enden. Die Politik wird noch ferner am Lebensalltag der Jugend vorbeihandeln, aber es wird niemanden interessieren. Die junge Generation flüchtet sich dann in die virtuelle Welt, baut sich ihre Welt mit Minecraft Steinchen, glitzernden Skins in Fortnite und verschönert die Realität solange mit Instagramfiltern bis sie ertragbar wird.
Liebe Politik. Es ist allerhöchste Zeit zum Handeln!
Ansonsten geht Ihr als eine Elite in die Geschichte ein, die wie keine zweite grandios versagt hat, indem sie nicht nur Wissenschaftler, sondern den Aufschrei einer gesamten Generation ignoriert hat. Nicht zu handeln, bedeutet das Klima und die westliche Demokratie zu vernichten. Es bedeutet, uns zu vernichten.
Eric Klausch (*1993)
Aufgewachsen ist Eric in einem 80 Seelendorf im Herzen Mecklenburg-Vorpommerns. Sein zehntes Schuljahr verbrachte er in Brasilien. Während eines Freiwilligen Sozialen Jahres in der blu:boks Berlin bekam Eric Klausch ein neues Bild von unserer Gesellschaft. Die ausgrenzende Armut mit der er täglich Konfrontiert war führten zur Gründung der Initiative Power On, die er neben dem Studium aufbaute. Power On setzt ich auf Grundlage christlichen Glaubens im ländlichen Gebiet Mecklenburgs dafür ein Kinder und Jugendliche zu empowern, befähigt sie aktive und hoffnungsvolle Gestaltende der Gesellschaft zu sein und setzt sich für die Umsetzung der Agenda 2030 ein. Neben Sommercamps gibt es bereits Jugendaustausche mit Tansania und Südafrika, sowie einen Selbstversorgergarten und eine Projektwerkstatt.
Als Bachelor studierte Eric Klausch an der Leuphana Universität Lüneburg das Studium Individuale mit den selbst gewählten Schwerpunkten Personalwesen, Nachhaltigkeit, Psychologie und Ingenieurswissenschaften. Im Master studierte er kritisches Management an der Lund University in Schweden.
Neben dem Ehrenamt beim Power On arbeitet Eric Klausch als Lehrer (Quereinsteiger) an der Realschule Gnoien und engagiert sich für Fridays For Future MV, sowie bei diversen NGOs zum Thema Jugendengagement, Kinderarmut, ländlicher Raum und Jugend & Demokratie.