Der Steinkauz, der Athene noctua, ist eine kleine nachtaktive Eule und gehört zu den auf der deutschen Roten Liste als gefährdet eingestuften Vogelarten. In den letzten Jahren ist es gelungen die bestehenden Steinkauzpopulationen im Südwesten Deutschlands stabil zu halten, teilweise steigen die Zahlen sogar. In der benachbarten Nordschweiz haben sich dagegen immer noch keine Populationen etabliert, obwohl die Bedingungen für die Art geeignet erscheinen. Ein Forscherteam um Severin Hauenstein von der Abteilung für Biometrie und Umweltsystemanalyse der Universität Freiburg hat nun untersucht, ob junge Steinkäuze aus Deutschland die Nordschweiz erreichen könnten und so eine natürliche Wiederansiedlung gelingen könnte.
Die Ausbreitungsmuster von Tieren vorherzusagen, sei schwierig, so Hauenstein. Deshalb haben er und die an der Studie Beteiligten von der Schweizerischen Vogelwarte in Sempach/Schweiz, dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung Halle-Jena-Leipzig (iDiv), dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) sowie der Universität Regensburg ein auf Individuen basiertes Computermodell entwickelt. Mittels Simulationen können die Forschenden beurteilen, ob Individuen aus derzeit expandierenden Steinkauz-Populationen im Südwesten Deutschlands in der Lage sind, in geeignete Lebensräume in der Nordschweiz zu migrieren. Aufgrund der intensiven Landwirtschaft und des stetigen Lebensraumverlusts, ist der Steinkauz in der Schweiz nahezu ausgestorben.
Die Bewegungsparameter in dem Modell wurden über Verfahren der Bayes’schen Statistik basierend auf Radiotelemetriedaten von juvenilen Steinkäuzen geschätzt. Unter anderem konnten die Forschenden so plausible Unterschiede zwischen Individuen und Geschlechtern nachweisen – weibliche Jungkäuze fliegen geradliniger und legen längere Einzelstrecken während der Migrationsphase zurück, während sich ihre männlichen Pendants tendenziell durch längere Rastperioden und stärkere Lebensraumtreue auszeichnen.
Hauenstein erklärt, dass die gewonnenen Erkenntnisse darauf hindeuten, dass eine natürliche Wiederansiedlung der Steinkäuze in der Nordschweiz generell möglich ist, wenn auch eingeschränkt: „Besonders zersiedelte Gebiete wie zum Beispiel rund um das Drei-Länder-Eck bei Basel scheinen die Wanderbewegungen der juvenilen Steinkäuze stark einzuschränken. Außerdem meiden Steinkäuze bewaldete Gebiete, da dort ihr natürlicher Feind, der Waldkauz, vorkommt sowie höher gelegene Gebiete, wie Jura, Schwarzwald und Schwäbische Alb.“ Die Wissenschaftler stellen in der Studie bestehende, aber enge Migrationskorridore heraus, wie beispielsweise das untere Aaretal oder auch das Fricktal südöstlich von Basel. Indem dort der Lebensraum für die Tiere aufgewertet wird, zum Beispiel durch die Extensivierung der Landwirtschaft oder das Bereitstellen von Nisthilfen, könnte die Ansiedlung der kleinen Eulen in der Nordschweiz beschleunigt werden.