Neue Fakten über eine kleine Pflanze: Forscher der Universität Münster und des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena haben herausgefunden, warum die Entengrützen-Art Vielwurzelige Teichlinse eine geringe genetische Vielfalt trotz großer Populationsgröße aufweist: Eine niedrige Mutationsrate trägt hierzu bei. Die Ergebnisse sind für weitere Studien über die Evolution von Pflanzen relevant, aber auch für die Nutzung der Entengrütze in der Grundlagenforschung und Industrie.
Für Enten und Schnecken ist sie ein Leckerbissen, Teichbesitzern ist sie manchmal ein Dorn im Auge: die Wasserlinse, besser bekannt als Entengrütze. Für Forscher sind die kleinen und schnell wachsenden Pflanzen von großem Interesse, nicht zuletzt, weil sie auch industriell angewendet werden – zum Beispiel, um Abwässer zu reinigen oder Energie zu gewinnen. In einer aktuellen Studie hat sich ein internationales Forscherteam aus Münster, Jena, Zürich und dem indischen Kerala das Erbgut einer speziellen Entengrützen-Art, der Vielwurzeligen Teichlinse, genauer angesehen.
Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die genetische Vielfalt der Entengrütze, also die Gesamtzahl ihrer genetischen Unterschiede, sehr niedrig ist. „Das ist insofern bemerkenswert, als dass ihre Populationsgröße wiederum sehr groß ist – in einem einzigen Teich können sich zum Beispiel Millionen von Individuen befinden“, sagt Shuqing Xu, Professor für evolutionäre Ökologie der Pflanzen an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) und Erstautor der Studie.
Die geringe genetische Vielfalt der Pflanze ging mit einer sehr geringen Mutationsrate einher
Um den Grund hinter diesem Mysterium herauszufinden, maß ein Team von Pflanzenforschern um Dr. Meret Huber vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena und von der WWU die Mutationsrate der Entengrütze, also die Häufigkeit, mit der neue Mutationen pro Generation auftreten. Das Ergebnis: Die geringe genetische Vielfalt der Pflanze ging mit einer sehr geringen Mutationsrate einher.
„Unsere Studie zeigt, wie wichtig die Schätzungen der Mutationsrate sind, um die Muster der genetischen Vielfalt bei unterschiedlichen Spezies zu erklären“, betont Meret Huber. Die Ergebnisse sind für viele weitere Studien über die Evolution von Pflanzen relevant, da sich zum Beispiel viele Kulturpflanzen auf ähnliche Weise fortpflanzen. Darüber hinaus können die Ergebnisse die zukünftige Nutzung der Entengrütze beschleunigen – sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der Industrie.
Mutationsraten sind nur schwer experimentell zu messen
Obwohl Mutationen die Grundlage für evolutionäre Veränderungen sind, gehen sie häufig mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen einher. Evolutionsforscher haben die Hypothese aufgestellt, dass die natürliche Selektion bei Arten mit großen Populationen die Mutationsrate so gering wie möglich hält. Dieser Hypothese nach könnte eine Spezies mit großer Population unter bestimmten Bedingungen eine sehr niedrige Mutationsrate entwickeln – das ginge umgekehrt auch mit einer geringen genetischen Vielfalt einher. Bisher hatten Wissenschaftler diesen Zusammenhang allerdings bei Eukaryoten, also Lebewesen, deren Zellen einen Kern haben, noch nicht zeigen können. Einer der Gründe hierfür ist, dass Mutationsraten nur schwer experimentell zu messen sind.
Die Forscher nahmen Proben der Vielwurzeligen Teichlinse (Spirodela polyrhiza) aus 68 Gewässern, die über die ganze Erde verteilt waren, und lasen jeweils die DNA-Sequenzen des gesamten Erbguts aus. Sie fanden heraus, dass die Proben entsprechend ihrer geografischen Herkunft in vier genetische Gruppen unterteilt werden konnten: Amerika, Europa, Indien und Südostasien. Darüber hinaus entdeckten sie, dass die genetische Vielfalt der Spezies einen der niedrigsten Werte aufweist, die jemals bei mehrzelligen Eukaryoten erhoben wurden.
Die Mutationsrate kann durch äußere Bedingungen beeinflusst werden
Da die genetische Vielfalt auch von der Mutationsrate und der sogenannten effektiven Populationsgröße bestimmt wird, schätzen die Wissenschaftler daraufhin die Anzahl der Mutationen innerhalb einer Generation und berechneten die Populationsgröße. Die Mutationsrate kann allerdings durch äußere Bedingungen beeinflusst werden, weshalb die Forscher die Experimente unter Freiluftbedingungen durchführten. Das Ergebnis: Sie fanden heraus, dass die Mutationsrate der untersuchten Entengrütze die niedrigste war, die je für vielzellige Eukaryoten bestimmt wurde. Wie erwartet, war dagegen die geschätzte effektive Populationsgröße groß.
Die Forscher vermuten, dass die enorme Populationsgröße der Entengrütze und die dadurch großen Selektionsmöglichkeiten im Laufe der Evolution dazu geführt haben, die Mutationen auf ein Minimum zu reduzieren. Das kann wiederum die geringe genetische Vielfalt erklären. „Durch die Ergebnisse erhalten wir neue Einblicke, wie und warum sich die genetische Diversität unter verschiedenen Spezies unterscheidet“, sagt Shuqing Xu. Gemeinsam mit ihren Kooperationspartnern arbeiten die Wissenschaftler derzeit daran, das Erbgut von noch mehr Proben zu analysieren und weitere Versuche unter Freiluftbedingungen durchzuführen. So möchten sie herausfinden, welche weiteren Faktoren für die Evolution der Entengrütze eine Rolle gespielt haben könnten.