Von unserem Gastautoren Eric Klausch
Als Unterstützer der Bewegung Fridays for Future und junger Lehrer muss ich mir immer wieder anhören, dass es ja eine tolle Sache ist, wenn junge Menschen sich für die Umwelt einsetzen. Doch dann kommt das Aber: „… aber warum machen sie das denn nicht am Samstag, oder nach der Schule? Da wäre die Akzeptanz in der Gesellschaft doch viel größer!“
Aber es geht der Bewegung nicht um Akzeptanz. Fridays for Future ist eine Protestbewegung. Die aktiven Jugendlichen wollen nicht beklatscht werden. Sie wollen einen radikaler Systemwechsel und der Weg dahin wird viele unbequeme Veränderungen mit sich bringen. Die junge Generation muss stören, nerven und sich quer stellen und sie muss noch geschlossener auftreten! Erst wenn die Erwachsenen verzweifelt erkennen, dass sich die junge Generation nicht ihren Regeln und Normen ergibt können wir unsere Zukunft verhandeln.
Ich kann verstehen, dass einige ältere Menschen wütend darüber sind, wenn Jugendliche ihre Institutionen und die bestehenden Regeln missachten. Wo hört es denn auf? Heute streiken die Jugendlichen für ein besseres Klima, morgen die Fahrradfahrer gegen Autoverkehr in Städten und übermorgen die Rechtsradikale für die Schließung der Grenzen? Die Überschreitung des Legalen zu unterstützen ist gefährlich. Wir leben doch in einem Rechtstaat, indem jeder Mensch die Möglichkeit hat sich über demokratische Wege für seine oder ihre Interessen einzusetzen!? Wenn sich nun Jugendliche nicht mehr an diese Regeln halten, wie können wir es anderen Gruppen verbieten?
Es gibt einige Gründe, warum ich den zivilen Ungehorsam der Jugend unbedingt unterstütze:
- Die Mitgestaltungsmöglichkeiten für Jugendliche in unserem Rechtsstaat gelten nur sehr eingeschränkt für alle unter 18-Jährigen. Die Kinderrechte stehen immer noch nicht im Grundgesetz und können somit nicht von Kindern eingeklagt werden. Jugendliche dürfen nicht wählen. Ja selbst, um eine Demonstration zu organisieren brauchen sie die Unterstützung von Volljährigen, um die Demonstration anzumelden und als Ordner zu begleiten.
- Junge Menschen haben nicht die Positionen und Geld, um wirksame Lobbyarbeit zu machen. Auch sind sie noch nicht so gut vernetzt und haben keine Elite, bei der die Fäden zusammenlaufen.
- Der Klimawandel ist real und keine Ideologie oder soziales Konstrukt. Wenn wir nicht jetzt handeln, wird er uns, und damit meine ich wirklich jeden einzelnen meiner Generation (!), enorm in unserer Lebensqualität einschränken. Viele von uns, aber noch mehr im globalen Süden werden ihre Heimat, etliche sogar ihr Leben verlieren. Zu protestieren bedeutet also Notwehr, es bedeutet sich für den Artikel 1 unseres Grundgesetzes einzusetzen, denn die Würde des Menschen ist durch den Klimawandel mehr als angetastet: Das Überleben der Menschheit (und 1/6 aller anderen Lebewesen) steht auf dem Spiel.
Was bleibt der jungen Menschen, um sich für ihr Überleben einzusetzen? Sie schwänzen eine Institution, die Erwachsene für sie erschaffen haben. Natürlich ist die Bildung, die wir alle in der Schule erhalten haben für alle von uns von großem Eigennutzen und allein aus Eigennutz sollten wir dieses staatliche Angebot in Anspruch nehmen.
Doch geht es den nörgelnden Erwachsenen wirklich um die Zukunft der Kinder? Das wäre doch komplett schizophren, wenn dieselben Personen sich wegen 20 Fehltagen so aufregen, während es ihnen scheinbar egal ist in welchem Klima die Kinder leben werden. Nein, es geht diesen Erwachsenen nicht um die Bildung, sondern es geht um Gehorsam. Das wird sehr schnell deutlich an der Wortwahl: „Aber die Schulpflicht“ heißt es und nicht „Aber die Bildung“. Diese Erwachsenen sind erbost, weil junge Menschen sich den Regeln nicht beugen, die sie erschaffen haben. Die Jugend ordnet die Prioritäten neu und kämpft für einen Wertewandel. Dafür brechen sie Regeln.
Meiner Meinung nach ist dies exakt die Aufgabe der Jugend: zu rebellieren, Grenzen zu überschreiten, Werte zu überdenken, Systeme zu hinterfragen. Gehorsam hat dem deutschen Volk bereits so viel Leid bereits, warum lernen wir nicht daraus?An alle Erwachsenen: Wenn Euch die Bildung der jungen Generation wirklich so am Herzen liegt, dann lasst Euch umschulen und werdet Lehrkräfte! Durch den Lehrendenmangel gab es in diesem Jahr weitaus mehr Unterrichtsausfall, als durch #FridaysForFuture. Nach Angaben von Die Zeit fallen mehr als 5% des Unterrichts aus. Wobei, in einigen Bundesländern braucht Ihr Euch nicht einmal umschulen zu lassen oder gar studiert zu haben. Es reicht, wenn Du Abitur hast und Treppen steigen kannst, denn viele Schulen sind noch nicht inklusionsgerecht umgebaut. Abgesehen von der Quantität gibt es natürlich viel über die Qualität der Schulen zu schreiben. Vor allem sollten wir uns fragen, ob die jungen Menschen in der Schule überhaupt Wichtigeres lernen, als bei den Demos. Es gäbe so viele Gründe sich ernsthaft über die Bildung unserer Kinder Gedanken zu machen, Fridays For Future gehört nicht dazu.