Ähnlich wie landwirtschaftliche Nutztiere, beispielsweise Rinder oder Schafe, können auch wildlebende Rothirsche, die in offenen Landschaften grasen, zum Erhalt geschützter Lebensräume beitragen. Dies konnte ein Forscherteam der Universität Göttingen und des Instituts für Wildbiologie Göttingen und Dresden zeigen.
Das interdisziplinäre Forscherteam, an dem die Abteilungen Graslandwissenschaft und Wildtierwissenschaften der Universität Göttingen beteiligt waren, führte über einen Zeitraum von drei Jahren Untersuchungen auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr in Bayern durch. „In diesem Gebiet kommen nicht nur zahlreiche geschützte Lebensräume und seltene Arten vor, sondern auch ein großer Bestand freilebender Rothirsche“, sagt Friederike Riesch, Doktorandin in der Abteilung Graslandwissenschaft der Universität Göttingen und Erstautorin der Studie.
Die vorhandenen Grünland- und Heideflächen werden ganztägig zur Futteraufnahme genutzt
Da die Tiere auf den nicht bewaldeten Flächen auf dem Truppenübungsplatz nur an wenigen Tagen im Jahr bejagt werden, können sie die vorhandenen Grünland- und Heideflächen ganztägig zur Futteraufnahme nutzen. Die Wissenschaftler erfassten den oberirdischen Pflanzenaufwuchs, die Futterqualität sowie die Futteraufnahme durch Rothirsche in je einem unter Naturschutz stehenden Heide- und Grünland-Lebensraumtyp.
Das Ergebnis: Der Anteil des Pflanzenaufwuchses, der von wildlebenden Rothirschen gefressen wird, kann in einer vergleichbaren Größenordnung wie bei extensiver Nutztierbeweidung liegen.
Während die Futteraufnahme der Rothirsche im Grünland im Frühjahr am höchsten war, wurden die Heiden im Winter am intensivsten beweidet.
Diese unterschiedlichen saisonalen Muster passen gut mit den unterschiedlichen Beweidungsansprüchen der Vegetationsgesellschaften in Grünland und Heide zusammen und tragen dazu bei, dass beide Lebensraumtypen von den Rothirschen profitieren.„Unsere Ergebnisse könnten einen Anstoß dazu geben, das Wildtiermanagement – insbesondere in großen Naturschutzflächen – so anzupassen, dass es Rothirschen ermöglicht wird, offene Landschaften ganztägig zur Nahrungssuche zu nutzen“, so Riesch. „Auf diese Weise kann ein Beitrag zum Erhalt naturnaher Offenlandlebensräume geleistet und gleich-zeitig das Risiko von Schäden durch Rothirsche in forstlich genutzten Wäldern reduziert werden“, ergänzt Dr. Bettina Tonn, Co-Autorin aus der Abteilung Graslandwissenschaft.