Warum weltweit zu viel Trinkwasser nutzlos versickert

Die Hauptwasserquelle von Tiruvannamalai ist das Oberflächenwasser aus dem Then-Pennaiyar-Fluss Foto: Strömer

Der Wassermangel ist oftmals hausgemacht. Betroffen sind insbesondere Entwicklungsländer, wo oft mehr als die Hälfte des Trinkwassers durch Leckagen und Diebstahl verloren geht.

 Wassermangel ist in vielen Regionen der Welt ein existenzbedrohendes Problem. Die Ausweitung der Wasserproduktion, die oftmals (beispielsweise durch Talsperren, den Bau von zusätzlichen Grundwasserpumpen, Flusswasserentnahmen oder Meerwasserentsalzungsanlagen) als erste Maßnahme umgesetzt wird, ist aber erst dann sinnvoll, wenn man die zum Teil gigantischen Verluste im Leitungsnetz reduziert.

„Diese Verluste sind vielfach ein Hauptgrund für die unzureichende Wasserversorgung“, sagt Keno Strömer vom Institut für Umwelttechnik und Management (IEEM) an der Universität Witten/Herdecke (UW/H).

Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung initiierten Verbund-Forschungsprojekts „WaLUE“ (Water Losses in Urban Environment) war es das Ziel der Wittener Forscher, Lösungskonzepte für eine bessere Wasserversorgung in indischen Städten zu entwickeln. Nach fünf Jahren Forschungs- und Umsetzungsarbeit wurde das Projekt nun erfolgreich abgeschlossen.

Leckage im Versorgungsnetz in Tiruvannamalai
Foto: Weil

Die Wissenschaftler entwickelten dazu Konzepte zur Reduzierung von Wasserverlusten durch Ortung und Abdichtung von Leckagen sowie ein nachhaltiges Geschäftsmodell für städtische Wasserversorger. „Der schlechte Zustand und die mangelhafte Wartung der Versorgungsleitungen führt zu erheblichen Verlusten von nicht selten deutlich über 50 Prozent auf dem Weg zum Endverbraucher“, erläutert Keno Strömer. „Durch Mängel an Bauqualität und mangelhafte Wartung werden die Kosten der Wasserlieferung am Ende teurer. Durch eine Verbesserung lässt sich also nicht nur wertvolles Trinkwasser einsparen, sondern auch Energie, zum Beispiel für Wasserpumpen, Bau- und Personalkosten.“ Wie eine Qualitätsverbesserung mit an die Landesverhältnisse angepassten Technologien und Managementkonzepten erreicht werden kann, hat das IEEM nun in einem Handbuch auf Englisch, Deutsch, Hindi und Tamil veröffentlicht. Darin werden digital unterstützte Technologien und Konzepte zur Wasserverlustreduzierung vorgestellt, die im Rahmen des Forschungsprojekts erstmals in der indischen Stadt Tiruvannamalai umgesetzt wurden. Am Vorhaben beteiligt waren als deutsche Industriepartner mit Tochtergesellschaften in Indien der Wasserdienstleister REMONDIS Aqua, der Pumpenhersteller WILO SE, Dorsch Consulting und Seba KMT. Wissenschaftspartner war das Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Auf der indischen Seite wurde das Projekt wissenschaftlich durch die Anna-University in Chennai begleitet. Die Projektleitung lag beim IEEM unter der Leitung von Prof. Dr. mult. Karl-Ulrich Rudolph.

Erschwert wurde das Vorhaben dadurch, dass der international etablierte Ansatz zur Berechnung der Wassermengen (Wasserbilanz der International Water Association IWA) auf Grund regionaler Gegebenheiten nicht angewendet werden konnte.

„Ein wichtiger Erfolg des Projektes bestand deshalb darin, die für Industrieländer entwickelte Wasserbilanz zu erweitern und an den indischen Wassersektor anzupassen“, erläutert Prof. Rudolph.

Auch die Messgeräte und Software zur Ortung von undichten Stellen im Kanalnetz mussten erst an die Gegebenheiten der indischen Kanalisation angepasst werden.. „Sowohl im technologischen als auch im Managementbereich konnten wir moderne und fallspezifisch geeignete, digitale Systemkomponenten installieren und austesten, die im Sinne eines Gesamtsystems miteinander harmonieren bzw. verknüpft sein müssen.“

In weiten Teilen Indiens funktioniert die öffentliche Wasserversorgung nur wenige Stunden am Tag. Dass zu wenig Wasser vorhanden ist, ist die Kehrseite des dynamischen Wirtschaftswachstums, das einen steigenden Wasserbedarf mit sich bringt. Verschärft wird die Entwicklung durch den globalen Klimawandel. Die Projektergebnisse und deren Umsetzung fanden in Indien deshalb großen Anklang. Die positive Resonanz wurde auch an der großen Anzahl von etwa 80 hochrangigen Teilnehmern am Abschlussworkshop deutlich, darunter 54 Vertreter indischer Stadtwasserbetriebe.

„Der Abschlussworkshop hat gezeigt, dass die Wasserverlustreduktion für viele indische Städte ein wichtiges Thema darstellt und zur Lösung der Wasserproblematik in Indien nachhaltigeren Erfolg verspricht als lediglich den Fokus auf eine Erhöhung der Wasserproduktion zu legen“, resümiert Strömer. „Dabei ist es gleichgültig, ob das vergleichsweise preisgünstig, etwa durch Grundwasserbrunnen, oder durch großen Aufwand wie etwa bei der Meerwasserentsalzung geschieht.“

Auf dem Workshop wurde zudem das WaLUE-Handbuch vorgestellt. Es ist das wichtigste Hilfsmittel, mit dem das Konzept in der Wissenschaft und vor allem auch in der Praxis in weiteren Regionen verbreitet werden soll. Aus diesem Grund wurde die gesamte Vorgehensweise, die Ausgestaltung der technischen Komponenten sowie deren Anpassungen, die eingesetzte Software sowie das Betriebs-, Organisations- und Finanzmodell exakt dokumentiert. Das Handbuch wird auf Anfrage gerne als Softcopy bereitgestellt und kann auf der WaLUE-Homepage heruntergeladen werden.

Aber auch für viele Industrieländer gibt es zum Thema Wasserverlustreduzierung noch viel zu tun. Deshalb hat das EU-Parlament entschieden, dass die EU-Mitgliedsstaaten bis zum 31. Dezember 2022 nationale Zielvorgaben zur Reduzierung von Wasserleckagen setzen, die dann bis zum 31. Dezember 2030 erreicht sein sollen. Bei der internationalen Normungsorganisation (ISO) ist derzeit die ISO 24528 ‚Water Loss‘ in Arbeit, weil nicht zuletzt in den trinkwasserarmen Südländern weit höhere Wasserverluste zu verzeichnen sind als beispielsweise in deutschen Leitungsnetzen (wo im Bundesdurchschnitt lediglich ca. 7 Prozent und bei besonders guten Wassernetzen wie etwa von REMONDIS Aqua oder Gelsenwasser zum Teil weniger als 3 Prozent verloren gehen).