Deutschland hat die Vorreiterrolle bei der Energiewende verloren

Foto: Klimagemeinde Saerbeck

red. Deutsche Energieexperten glauben mehrheitlich, dass Deutschland seine Führungsposition bei der dezentralen Energiewende ganz oder zum Teil verloren hat. Dies ist ein Teilergebnis einer Befragung im Rahmen der Forschungsinitiative „Global Initiative for Distributed and Local Energy (DALE) – The German Perspective“.

Eins der wichtigsten Elemente der Energiewende ist der Wandel des Energiesystems von zentraler zu dezentraler Stromerzeugung und -versorgung. Statt durch große Kohle- und Kernkraftwerke, wird Strom zukünftig durch tausende kleinere Photovoltaik- und Windkraftanlagen, die sich übers ganze Land verteilen erzeugt werden. Auch die dezentrale Versorgung und Beteiligung vor Ort wird immer wichtiger. Dafür müssen die Netze allerdings angepasst sowie politische und organisatorische Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Im Rahmen des deutschen DALE-Projekts wurden mehr als 100 deutsche und knapp 50 internationale Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft aus 26 Ländern um eine Bewertung dezentraler Ausbauansätze in Deutschland gebeten. Die Ergebnisse zeigen, dass Deutschland zwar international als Vorreiter der Energiewende gesehen wird, Fachleute hierzulande sehen aber mittlerweile andere Länder an der Spitze. Während rund 60 Prozent der internationalen Befragten Deutschland als führend bei der dezentralen Energiewende bewerten, wollen sich nur fünf Prozent der deutschen Befragten dieser Aussage anschließen. Insbesondere die regulatorischen Hürden werden im Inland als hemmend empfunden – knapp 40 Prozent der Befragten nannten diesen Aspekt als oberste Hürde. Insgesamt wurden zwei konkrete Stellschrauben identifiziert, die mehrheitlich als wichtig bewertet wurden, um die Voraussetzungen für das Gelingen der dezentralen Energiewende in Deutschland zu schaffen: Zum einen eine Reform der (Netz-)Entgelte und Umlagen und zum zweiten die Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen für Direktstrommärkte.

„Die Studie zeigt, dass Dezentralität für ein energiewirtschaftliches Gesamtkonzept steht, das weit über die kleinteilige Stromproduktion hinausgeht“, erklärt Projektleiterin Kathrin Goldammer. „Noch finden die deutschen Errungenschaften beim Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Bürgerbeteiligung weltweit Beachtung, doch andere Länder gehen besser mit neuen Aspekten, wie etwa Lastmanagement oder Digitalisierung um. Das fällt in Fachkreisen immer deutlicher auf – aus deutscher Perspektive lohnt also der Blick auf andere Ländern, um den Anschluss nicht zu verlieren.“

Die DALE-Initiative will den internationalen Austausch herstellen, um den Ausbau der Erneuerbaren Energien mithilfe von mehr lokaler Erzeugung voranbringen. Das unabhängige internationale Netzwerk von Expertinnen und Experten, die am Thema dezentrale Energieversorgung arbeiten setzt sich für die Förderung dezentraler Lösungen ein und vergleicht internationale Ansätze. Die Befragung innerhalb der Initiative wurde von Kathrin Goldammer, Geschäftsführerin des Reiner Lemoine Instituts, Fabian Zuber, Inhaber von l°energy – local energy markets, und David Jacobs, Geschäftsführer der IET – International Energy Transition GmbH, durchgeführt. Die Umfrageergebnisse wurden im Anschluss im Rahmen zweier Workshops bewertet und priorisiert. Gefördert wurde die Studie durch die Haleakala-Stiftung.

Die vollständige Studie und weitere Informationen zur DALE-Initiative finden Sie hier: https://reiner-lemoine-institut.de/dale-the-german-perspective/