Wie kann Deutschland seine Klimaziele bis 2030 erreichen? Die derzeit heiß diskutierte CO2-Steuer verbunden mit weiteren gezielten Klimaschutzmaßnahmen ist eine Möglichkeit, womit diese Ziele in greifbare Nähe rücken. Dabei kommt es auf die konkrete Ausgestaltung an. Liegt der CO2-Preis zwischen 30 und 50 Euro pro ausgestoßener Tonne CO2, ist es zielorientiert die Hälfte der Einnahmen für Klimaschutzmaßnahmen zu investieren. Sozial gerecht ist eine Steuer, wenn die andere Hälfte der Einnahmen direkt an Haushalte und Unternehmen zurückerstattet wird. Eine Diskussionsgrundlage dafür liefert das neue Wuppertal Paper „Ein CO2-Preis als Instrument der Klimapolitik: notwendig, aber nur im Gesamtpaket wirkungsvoll und sozial gerecht“.
Der Sonderbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) im vergangenen Herbst zum 1,5-Grad-Ziel sowie die Proteste der Fridays-for-Future-Bewegung setzte die Dringlichkeit eines raschen Klimaschutzes wieder neu auf die öffentliche und politische Agenda. Das eröffnet neue politische Möglichkeiten für eine verschärfte Klimapolitik in Deutschland und ist angesichts des von Tag zu Tag steigenden Handlungsdrucks aufgrund des fortschreitenden Klimawandels auch zwingend notwendig.
Ein Preis für das klimaschädliche Kohlenstoffdioxid (CO2) gilt seit vielen Jahren als ein essenzieller klimapolitischer Baustein zur langfristigen Dekarbonisierung aller Sektoren. Inzwischen rückt das Thema in den Fokus der Debatten. Doch ist die Streitfrage des CO2-Preises in puncto Umsetzung noch offen.
Soll er über eine CO2-Besteuerung oder eine Ausweitung des Emissionshandels eingeführt werden? Wie hoch soll er sein? Wofür sollen die Einnahmen verwendet werden? Eine mutige CO2-Bepreisung sei längst überfällig, aber: „Obwohl ein CO2-Preis ein zentraler Baustein für erfolgreichen Klimaschutz ist, wäre es aufgrund der Vielschichtigkeit der zu überwindenden Hemmnisse zu kurz gegriffen, sich allein darauf zu verlassen“, sagt Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick, Vizepräsident des Wuppertal Instituts.
Das Pariser Klimaabkommen gibt vor, dass alle Sektoren umgehend auf einen Dekarbonisierungspfad einschwenken müssen und dieser spätestens bis 2050 vollständig umgesetzt sein muss. Angesichts der vielfältigen sektorenspezifischen Herausforderungen braucht es ein ganzes Paket sich ergänzender Maßnahmen. Eine CO2-Steuer könnte dafür die notwendige Basis liefern.
„Beispielsweise würde ein moderater Einstieg in eine CO2-Steuer von 30 bis 50 Euro pro ausgestoßener Tonne CO2 bei Gebäuden und Verkehr zunächst ausreichende Mittel generieren, um sektorale Politiken und Infrastrukturmaßnahmen besser finanzieren zu können und so die Energie-, Verkehrs- und Klimaziele 2030 zu erreichen“, sagt Dr. Stefan Thomas, Leiter der Abteilung Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik am Wuppertal Institut.
Vorrangig sollten zusätzliche Maßnahmen für Energieeffizienz in allen Sektoren umgesetzt werden, aber auch für umweltfreundlichen Verkehr – also eine attraktivere Infrastruktur um zu Fuß, mit dem Rad, per Bus und Bahn sowie elektromobil unterwegs zu sein –, erneuerbare Energien zur Wärmeversorgung sowie Impulse für die Entwicklung innovativer Technologien wie Energiespeicher gesetzt werden. Damit ließen sich auch mögliche Strafzahlungen an die Europäische Union vermeiden. Solche Strafzahlungen entstehen zwangsläufig, wenn die Klimaschutzziele, zu denen sich Deutschland für das Jahr 2030 verpflichtet hat, nicht erreicht werden. Gleichzeitig könnte etwa die Hälfte der Einnahmen als Rückzahlungen einen sozialen Ausgleich für Haushalte und einen wettbewerblichen Ausgleich für Unternehmen schaffen.
Eine wirkungsvolle und faire CO2-Steuer
Eine Diskussionsgrundlage für die Ausgestaltung einer CO2-Steuer liefert das Wuppertal Institut im neuen Wuppertal Paper „Ein CO2-Preis als Instrument der Klimapolitik: notwendig, aber nur im Gesamtpaket wirkungsvoll und sozial gerecht“. Das Autorenteam ist sich einig: Eine CO2-Bepreisung hat zweifellos eine wichtige Lenkungswirkung für den Kauf und Einsatz von effizienten Produkten, Fahrzeugen und Anlagen. Die volle Wirkung erzeuge sie aber erst, wenn die eingenommenen Mittel richtig verwendet werden. In ihrem Diskussionspapier beziehen sie mit neun Thesen Stellung, wann und wie eine CO2-Steuer sinnvoll ist und wie sie sich am besten umsetzen lässt. Eine CO2-Steuer:
1) ist sinnvoll für die Verkehrs- und Gebäudesektoren, die bisher nicht in den EU-Emissionshandel einbezogen sind und muss hoch genug sein, um eine Lenkungswirkung erzielen zu können,
2) muss mit einer verstärkten Förderung von Energieeinsparung oder erneuerbaren Energien sowie Infrastruktur- und Technologieentwicklung einhergehen und Innovationsakzente setzen,
3) führt je nach Rückvergütungsmechanismen nicht zu Mehrkosten für die Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern zu Entlastungen für energiebewusste Verbrauchergruppen
4) wird in Verbindung mit solchen gezielten (flankierenden) Klimaschutzmaßnahmen im Zuge der Ausschöpfung von Energieeffizienzpotenzialen einen höheren Entlastungseffekt ermöglichen und die Gesamtkosten aller Haushalte und Unternehmen stärker senken können
5) führt in dieser Verbindung zu substantiellen Investitionseffekten, wodurch positive Effekte auf die Staatseinnahmen ausgelöst werden,
6) muss dynamisch anwachsen, um die langfristigen Klimaziele zu erreichen mit entsprechend höherer Rückerstattung,
7) muss additiv wirken und bringt insgesamt für den Klimaschutz wenig, wenn nur die bestehende Energiesteuer auf eine CO2-Basis gestellt oder von Strom zu Heizenergien und Kraftstoffen verlagert wird,
8) sollte daher mit zunächst 30 bis 50 Euro pro ausgestoßener Tonne CO2 zusätzlich zur momentanen Energiesteuer eingeführt werden und
9) wirkt besser und lässt sich aufgrund der nationalen Handlungsautonomie schneller umsetzen als eine Ausweitung des Emissionshandels auf die Bereiche Verkehr und Gebäude.
„Der Politik in Deutschland bleibt daher der Mut zu wünschen, nun rasch einen solchen Schritt zu einer wirksamen und sozial ausgewogenen CO2-Bepreisung zu gehen. Dabei kommt es heute mehr denn je auf Geschwindigkeit an, einen monatelangen Streit über das vermeintlich beste Modell können wir uns nicht leisten“, ergänzt Fischedick.