Im Labor des Instituts für Systematische Botanik und Ökologie steht ein Unikat: In der deutschlandweit einzigen Zentrifuge vom Typ „Chinatron“ lässt sich nicht nur untersuchen, wie Pflanzen in Zeiten des Klimawandels auf Trockenstress reagieren. Das Gerät hilft zudem bei der Entwicklung von „bionischen Ästen“, die womöglich den Weg zu neuen Pumpen- oder Kühlungssystemen ebnen.
Seit Jahrzehnten forschen Biologen wie Professor Steven Jansen, Arbeitsgruppenleiter am Institut für Systematische Botanik und Ökologie, zum Wassertransport in Pflanzen. Auch dank modernster bildgebender Verfahren und Analysetechniken ist die Anatomie des Baumstamms bereits weitgehend verstanden. Doch Ingenieuren ist es bislang nicht gelungen, einen bionischen Ast zu entwickeln, der den Wassertransport des natürlichen Vorbilds überzeugend nachahmt. Solch ein künstliches System würde bei der Entwicklung von Pumpen helfen, die kontaminierte Böden von Chemikalien befreien. Zudem sind Anwendungen in der Biomedizin oder Kühlungstechnik denkbar.
„Embolien“ können das Todesurteil für Bäume sein
Und auch Forschende wie Jansen würden profitieren: Im „bionischen Baumstamm“ könnten sie dem Wassertransport in Pflanzen und der Bildung gefährlicher Gasblasen noch genauer auf den Grund gehen – gerade im Hinblick auf den Klimawandel ein wichtiges Thema. In Trockenzeiten steht der Saft im Leitgewebe (Xylem) des Stamms nämlich unter großer Saugspannung, denn der Baum versucht, Wasser aus dem Boden nachzuziehen. Bei extremer Dürre kann die Wassersäule sogar abreißen und es entstehen eben jene Gasblasen, die den verbliebenen Wasserfluss blockieren. Solche „Embolien“ können das Todesurteil für den Baum bedeuten. Die Neigung zu diesen Blockaden variiert stark zwischen verschiedenen Pflanzenarten – und kann innerhalb von Minuten im neuen Chinatron analysiert werden.
Mit Zentrifugen Bildung von Embolien untersuchen
Das Gerät, das den Weg zu einem tieferen Verständnis des Wassertransports und letztlich zum künstlichen Baumstamm ebnen soll, ist ziemlich unscheinbar: „Seit vielen Jahren werden Zentrifugen eingesetzt, um die Bildung von Embolien zu untersuchen. Ausgehend von Ideen des Biologen Hervé Cochard ist nun in China der Prototyp ,Chinatron‘ entwickelt worden, den es nur zwei Mal in Europa gibt – einer davon steht in Ulm“, so Jansen. Die Besonderheit der Zentrifuge ist ein Küvettensystem: Der natürliche oder künstliche Ast wird in der Mitte der Zentrifugenachse fixiert. Beide Astenden stecken in Plastikküvetten, die unterschiedlich hoch mit Wasser gefüllt sind. In diesen Reservoirs sind Löcher so platziert, dass während der Zentrifugation ein Druckgefälle entsteht, das den Wasserfluss im Ast – von der oberen zur unteren Küvette – ermöglicht.
„Im Chinatron wirken bei bis zu 10 000 Rotationen pro Minute starke Zentrifugalkräfte auf die Probe und sorgen für einen negativen Druck im Stamm. Während das Wasser in der unteren Küvette ständig nachgefüllt wird, sinkt der Pegel im oberen Reservoir kontinuierlich. Aufgrund dieses Unterschieds kalkuliert das System die Leitgeschwindigkeit im Ast“, erklärt der Wissenschaftliche Mitarbeiter Dr. Christophe Trabi.
Dabei lassen sich Rotation und Temperatur am Computer verändern. Videoaufnahmen aus der Zentrifuge geben weiterhin Einblicke in den Wassertransport und in die Entstehung von Embolien. Bei natürlichen Ästen lässt sich im Chinatron nach etwa 30 Minuten feststellen, wie die Art auf Trockenheit und eine Unterbrechung des Wasserflusses reagiert.
Die einzige Gruppe, die an künstlichen Ästen forscht
Die Entwicklung und Prüfung künstlicher Äste im Chinatron stellt die Forschenden um Professor Steven Jansen vor Herausforderungen. Schwierigkeiten machen die Nachbildung des negativen Drucks im Stamm sowie von porösen Zellwänden, die benachbarte Gefäße im Leitgewebe miteinander verbinden und beim Wassertransport für Widerstand sorgen. Diese Merkmale gilt es, in Röhrchen oder Glasfasern zu imitieren und im Chinatron zu überprüfen. Zudem hoffen die Forschenden, die Rolle von pflanzlichen Tensiden im künstlichen System aufzuklären: Tenside scheinen die Oberflächenspannung des Wassers im Leitgewebe zu reduzieren und so für kleinere Gasblasen und weniger Embolien zu sorgen. „Weltweit sind wir wahrscheinlich die einzige Gruppe, die an künstlichen Ästen forscht. Das Chinatron öffnet uns hierbei viele Türen“, so Jansen. Der 20 000 Euro teure Prototyp wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert und steht nicht nur Biologen zur Verfügung. Auch weitere Naturwissenschaftler wie Chemiker und Experten aus den Bereichen Elektronenmikroskopie sowie Stochastik haben bereits mit dem Gerät gearbeitet.