Angesichts des anhaltenden Höfesterbens in Deutschland und der fortschreitenden Artenkrise auf Feld und Flur fordert der WWF Deutschland von der Bundesregierung finanzielle Unterstützung und Planungssicherheit für Landwirte beim Klima- und Umweltschutz auf dem Acker und im Stall. Sonst blieben „Landwirte und Natur gleichermaßen dauerhaft auf der Strecke“, so der WWF zum Start der Internationalen Grünen Woche (IGW) in Berlin. „Die nationale und europäische Landwirtschaftspolitik nach der Maxime Wachse oder Weiche schafft immer mehr Verlierer unter Landwirten und in der Natur „, urteilt Christoph Heinrich, Vorstand Naturschutz des WWF Deutschland. „Dass Landwirte sich frustriert vom Staat abwenden, ist auch Folge einer jahrzehntelangen Agrarpolitik, die kleine, oft familiengeführte Betriebe und die Natur abgehängt hat. Hinzu kommt ein ruinöser Preisdruck durch die Lebensmittelindustrie.“
In den letzten 30 Jahren hat etwa die Hälfte der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland aufgegeben – bei etwa 70 Prozent ist die Hofnachfolge ungeklärt. Die bisherige deutsche und europäische Landwirtschaftspolitik hat diesen Trend nicht gestoppt, so der WWF. Der Großteil der EU-Subventionen richtet sich nach der Flächengröße. Je mehr Fläche ein Betrieb bewirtschaftet, desto mehr Geld aus Brüssel – mit dem kuriosen Ergebnis, dass die 20 Prozent der größten Landwirtschaftsbetriebe in der EU 80 Prozent der Fördermittel erhalten. Der WWF kritisiert, dass die Bundesregierung bisher nur sechs Prozent von den bestehenden flächengebundenen EU-Subventionen in die Förderung von Artenvielfalt auf dem Acker umleiten will. Bis zu 15 Prozent wären möglich.
„Von diesem Geld gehört mehr in die Hände von Landwirtinnen und Landwirten, die betrieblich nachweislich gegen die Nitrat- und Klimakrise aktiv werden und biologische Vielfalt auf ihren Betrieben fördern“, unterstreicht Heinrich vom WWF.
EU-weit ist seit 1980 jeder zweite in der Agrarlandschaft beheimatete Vogel verschwunden, das sind 300 Millionen Tiere. In Deutschland sank die Masse von Fluginsekten wie Hummel, Biene oder Falter in den letzten 30 Jahren um durchschnittlich 76 Prozent. 30 Prozent aller Ackerwildkräuter stehen auf der Roten Liste des Bundesamtes für Naturschutz (BfN).
„Überdüngte und flächendeckend mit Pestiziden behandelte Anbauflächen verdrängen artenreiche Wiesen und Weiden sowie Äcker mit vielfältigen Fruchtfolgen. Mit ihnen verschwinden Wiesenvögel, Schmetterlinge und Ackerwildkräuter“, warnt Christoph Heinrich.
Angesichts der doppelten Krise für Landwirte und Natur erwartet der WWF von der Bundesregierung in 2020 eine konsequente Abkehr vom „Klein-Klein des geringsten Widerstandes“ in der Agrarpolitik. Mit der Überarbeitung der Düngeverordnung kann die Bundesregierung innenpolitisch und gegen Brüssel entsprechende Zeichen setzen, so der WWF. Derzeit auf dem Tisch liegende Vorschläge zu Änderungen der Umsetzung der EG-Nitratrichtlinie reichten nicht aus, um Deutschland bei Trinkwasser- und Gewässerschutz dauerhaft aus dem roten Bereich zu holen.
Dazu benötige es ein System, das betriebliche Stoffkreisläufe ohne Schlupflöcher geschlossen bestimmt und entsprechend nur jene finanziell belastet, die tatsächlich Stickstoffüberschüsse produzierten. Wer die Nährstoffeinträge senkt oder niedrig hält, kann im Gegenzug finanziell entlastet werden. Außerdem gilt es, die Haltung von Milch- und Schlachtvieh wieder an die regional zur Verfügung stehende Fläche zu binden. Schrumpfen müssten entsprechend vor allem die Nutztierbestände in den viehstarken Regionen, so der WWF. Die Bundesrepublik ist einer von acht EU-Mitgliedstaaten, bei denen die Probleme mit Nährstoff- und Pestizideinträgen aus der Landwirtschaft in die Gewässer am größten sind.
Beim aktuellen Streit um das Aktionsprogramm Insektenschutz hofft der WWF auf „Rückgrat der Bundesregierung“ beim Verbot von Totalherbiziden in Schutzgebieten. „Statt ökologisch dringend gebotene Regelungen wieder zu verwässern, sollten die betroffenen Landwirte beim Einstieg in einen umweltverträglicheren Ackerbau eingebunden sowie finanziell und fachlich bestmöglich unterstützt werden“, so Christoph Heinrich vom WWF.