„Der fortschreitende Klimawandel, die Ressourcenknappheit und der Strukturwandel in ländlichen Räumen stellen die Landwirtschaft vor immer größere Herausforderungen. Mit einem Blick über den Tellerrand, mit Um-, Weiter- und Querdenken können wir die landwirtschaftliche Produktion weiterentwickeln und zukunftsfähig machen. Deshalb freue ich mich, dass wir in diesem Jahr wieder fünf kreative und interessante Projekte fördern, die Innovationen in der Landwirtschaft umsetzen wollen“, sagte die Hessische Landwirtschaftsministerin Priska Hinz heute bei der Übergabe der Förderbescheide im Rahmen der Landwirtschaftlichen Woche Südhessen in Gernsheim. Dort erhielten Vertreter von fünf sogenannten „Operationellen Gruppen“ (OGs) im Rahmen der Europäischen Innovationspartnerschaft (EIP) Bewilligungsbescheide in Höhe von insgesamt fast zwei Millionen Euro.
„Humuvation“ kombiniert innovative Anbausysteme
Seit dem Jahr 2015 unterstützt das Land Hessen Akteure aus der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft sowie dem Wein- und Gartenbau bei der Umsetzung von praxisorientierten Innovationsprojekten. „In den letzten Jahren haben wir mit den verschiedensten Projekten schon viel erreicht oder in Gang gebracht. Ein tolles Beispiel ist das Projekt „ExtraWurst“. Es hat die mobile Schlachtung möglich gemacht. So bleibt Rindern der stressige Transport zum Schlachthof erspart“, erklärte Ministerin Hinz. Auch das Projekt „Biohuhn“, das ausgediente Legehennen und Brudertiere vermarktet sowie das Projekt „HEFU Soja“, das in Hessen hergestelltes Futtermittel deklariert sind Vorhaben die mithilfe der Innovationsförderung in die praktische Umsetzung gelangen konnten. Auch in diesem Jahr zeichnen sich die fünf bewilligten Vorhaben durch ihre Vielfältigkeit aus:
Der Klimawandel macht es Landwirten in Hessen immer schwerer, die Ertragsstabilität zu erhalten
Ziel der Operationelle Gruppe „Humuvation“ ist es daher, vorhandene innovative Anbausysteme zu kombinieren und an die klimatischen Bedingungen in Hessen anzupassen, um hier Humusaufbau und Ertragsstabilität zu gewährleisten. Auf Praxisbetrieben sowie im Exaktversuch werden nach der Ernte der Hauptkulturen (Weizen, Ackerbohne und Mais) Mischungen aus verschiedenen Kulturen (Zwischenfrucht-Mischungen) angebaut, die den Boden tief und flach durchwurzeln, Nährstoffe im Boden vor Auswaschung schützen und Humus aufbauen. Anschließend soll weitestgehend bzw. sogar gänzlich auf Bodenbearbeitung verzichtet werden, sodass die Zwischenfrucht als Schutz vor Verdunstung, hohen Temperaturen sowie als Nahrung für das Bodenleben an der Bodenoberfläche verbleibt. Das System soll durch die Entwicklung eines Praxisleitfadens allen landwirtschaftlichen Ackerbaubetrieben in Hessen zugänglich gemacht werden.
„Mulchgemüse Hessen“ für qualitativ hochwertiges, regionales Gemüse
Die OG „Mulchgemüse Hessen“ reagiert auf die Forderung nach flexiblen und resilienten Agrarsystemen, die eine nachhaltige Produktion von Lebensmitteln sichern können. Mit dem „Kombi-Mulch-Verfahren“ sollen Ackerbaubetriebe in der Lage sein, Gemüsekulturen in die Fruchtfolge aufzunehmen. Sowohl für Ackerbaubetriebe wie auch für gärtnerische Gemüsebaubetriebe soll eine Form des Gemüseanbaus etabliert werden, welche sich dem Klimawandel anpasst und diesem entgegenwirkt. Gesamtziel des Vorhabens ist es, qualitativ hochwertiges, regionales Gemüse mit ökologischem Mehrwert zu ähnlichen oder sogar gleichen Preisen wie herkömmliches Gemüse zu produzieren. Der Hauptverantwortliche der OG ist die Justus-Liebig-Universität Gießen.
Die Universität Kassel hat sich als Hauptverantwortlicher zusammen mit Vertretern aus Landwirtschaft, Wirtschaft und Beratung in der OG „Pflanzenkohle als Geflügeleinstreu“ der Entwicklung und Erprobung einer innovativen Geflügeleinstreu auf Basis von nachhaltigen und regional hergestellten Pflanzen- und Aktivkohlen verschrieben. Denn eine feuchte und verschmutzte Einstreu führt zu hohen Ammoniakgehalten in der Stallluft sowie zu Fußballenerkrankungen bei Hühnern. Pflanzen- und Aktivkohle verfügen über eine hohe Wasseraufnahmekapazität wie auch eine hohe Adsorptionskapazität für verschiedene Substanzen wie Nährstoffe, Stickstoffverbindungen aber auch Schadstoffe und kann somit als Geflügeleinstreu dabei helfen, Fußballenerkrankungen sowie Ammoniakemissionen zu reduzieren und die Tiergesundheit und das Tierwohl zu verbessern.
Die Varroa-Milbe gehört zu den größten Bedrohungen der westlichen Honigbiene und ist eine Hauptursache für den Verlust von Bienenvölkern. Ein Problem bei der Entwicklung einer Strategie zur Bekämpfung der Milbe stellt der oftmals mangelnde Wissensaustausch zwischen den Imkern dar. Ziel der OG „Praxis-Forschung-Bienen“ ist es daher, ein Netzwerk für praktische Bienenforschung zu gründen, um innovative Diagnose- und Behandlungsstrategien gegen die Varroa-Milbe zu entwickeln. Die technologische Entwicklung eines Varroa-Counters soll die Varroa-Befallsdiagnostik vereinfachen und präzisieren. Durch den Aufbau einer digitalen Online-Plattform wird schneller Transfer der Ergebnisse des Netzwerks in die Praxis gewährleistet. Der OG gehört neben Innereien das Institut für Bienenkunde der Universität Frankfurt an.
„Tierwohl-Tool Milchvieh“ zur Bestandsaufnahme
Die aktuelle Tierwohl-Situation der hessischen Milchviehbetriebe im Rahmen einer Bestandsaufnahme zu erfassen und zu bewerten ist das Projektziel der OG „Tierwohl Milchvieh Hessen“. Hierfür soll das „Tierwohl-Tool Milchvieh“, welches im Netzwerk Pilotbetriebe entwickelt wurde, auf 40 hessischen Milchviehbetrieben eingesetzt und somit in der Praxis getestet werden. Das Tierwohl-Tool ist eine Excel-Anwendung und bewusst einfach aufgebaut, damit Landwirtinnen und Landwirte eigenständig die Situation des Tierwohls auf ihren Betrieb erfassen können. Neben dem Praxistest hat sich die OG zudem die Weiterentwicklung des Tools gemeinsam mit den Betriebsleiterinnen sowie die Untersuchung von Zusammenhängen zwischen Tierwohl und Haltungs- und Managementbedingungen zur Aufgabe gemacht.