In welchem Ausmaß Anbau und Handel brasilianischen Sojas das Weltklima belasten, hängt ganz erheblich vom jeweiligen Anbaugebiet ab. Das zeigt eine aktuelle Studie, die die Universität Bonn zusammen mit Partnern aus Spanien, Belgien und Schweden durchgeführt hat. In manchen Regionen fallen demnach beim Export von Soja und Sojaprodukten mehr als 200 Mal so hohe CO2-Emissionen an wie in anderen. Die EU importierte zwischen 2010 und 2015 Soja vor allem von Standorten, in denen für den Anbau große Savannen- und Waldflächen in Ackerland umgewandelt wurde.
Der Sojahandel trägt auf verschiedenen Wegen zur Treibhausgas-Produktion bei. Der wohl gravierendste ist die Umwandlung natürlicher Vegetation in Ackerflächen. Denn diese binden in der Regel erheblich weniger CO2 als die ursprünglichen Ökosysteme. Auch bei der Ernte und der Verarbeitung der Rohprodukte, dem Transport zu den Häfen und der Verschiffung werden Treibhausgase freigesetzt.
Um den Klimagas-Fußabdruck abzuschätzen, den der Handel mit Soja und Soja-Produkten hervorruft, nutzen Wissenschaftler so genannte Lebenszyklus-Analysen (englisch: Life Cycle Assessments, abgekürzt LCA). Darin ermitteln sie die Ökobilanz eines Produkts von seiner Herstellung bis zum Importeur. Die Wissenschaftler vom Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik (ILR) der Universität Bonn haben diese Abschätzung nun für knapp 90.000 verschiedene Lieferketten vorgenommen, die zwischen 2010 und 2015 für den Soja-Handel genutzt wurden. „Jede dieser 90.000 Handelsströme besteht aus der produzierenden Kommune in Brasilien, dem Ort, in dem das Soja gelagert und vorverarbeitet wurde, dem Export- und Import-Hafen und eventuell der Weiterverarbeitung beim Käufer“, erklärt ILR-Forscherin Dr. Neus Escobar. „Etwas vereinfacht gesagt, haben wir für jede dieser Lieferketten die freigesetzte Kohlendioxid-Menge pro Tonne Soja berechnet.“
Fast 90.000 Handelsströme analysiert
Die Wissenschaftler nutzten dazu eine am Stockholm Environment Institute entwickelte Datenbank (www.trase.earth). Sie zeichnet die Handelswege landwirtschaftlicher Produkte vom Anbaugebiet bis zum Importeur im Detail nach. „Die Datenbank enthält zudem Angaben zur Entwaldung, die mit dem Soja-Anbau in dem Produktionsgebiet einhergeht“, sagt Escobar. „Wir haben sie um zusätzliche Daten ergänzt, etwa zu den Transportmitteln, die auf der entsprechenden Exportroute genutzt werden, sowie den CO2-Emissionen, die durch sie entstehen. Dadurch konnten wir sehr fein differenziert abschätzen, welche Folgen Soja-Anbau und -Handel in verschiedenen Regionen Brasiliens für die Klimagas-Belastung hat.“ Mit einem aufschlussreichen Ergebnis: „Die dadurch verursachten Treibhausgas-Emissionen sind von Gemeinde zu Gemeinde extrem unterschiedlich – abhängig von Entwaldung, Anbau-Praktiken und Fracht-Logistik“, betont Escobar. „In manchen Gebieten liegen sie gut 200 Mal so hoch wie in anderen. Die Variabilität ist demnach viel höher als bislang aus der wissenschaftlichen Literatur ersichtlich war.“
Die größten CO2-Emissionen entstehen in der sogenannten MATOPIBA-Region im Nordosten des Landes. Hier existieren noch riesige Gebiete mit natürlicher Vegetation, vor allem Wälder und Savannen, die jedoch in den letzten Jahren zunehmend dem Ackerbau zum Opfer gefallen sind. Sojaexporte aus Kommunen in dieser Region erfordern normalerweise lange Transportwege zu den Exporthäfen, die zudem mangels Infrastruktur meist per Lkw bewältigt werden. Die dadurch verursachte Klimagas-Belastung kann enorm sein und sogar die Folgen der Entwaldung übertreffen.
Die Wissenschaftler haben auch untersucht, welche Länder durch den Import von Soja besonders große Treibhausgas-Emissionen verursachen. In erster Linie ist das der weltgrößte Importeur China. Dicht auf den Fersen ist ihm jedoch die Europäische Union. „Zwar führen die europäischen Länder deutlich weniger Soja ein. Allerdings stammte es zwischen 2010 und 2015 vor allem aus Gebieten mit einem hohem Entwaldungsdruck“, stellt Escobar fest.
„Regionale Gegebenheiten können einen erheblichen Einfluss auf die Ökobilanz von Agrarprodukten haben“, erklärt sie. „Unsere Studie macht diese Zusammenhänge ein Stück transparenter.“
Die Politik benötigt solche Informationen dringend: Sie zeigen zum einen, wie sich die Lieferketten umweltfreundlicher gestalten lassen – etwa durch Verbesserungen der Verkehrsinfrastruktur oder einen konsequenteren Schutz der Wälder. Zum anderen verdeutlichen die Zahlen auch die Umweltfolgen des hohen Fleischkonsums in vielen EU-Ländern: Ein Großteil des nach Europa importierten Sojas wird als Tierfutter verwendet.