Mit sozialen Medien gesund durch die Krise

Foto: Leonie Kopetzki

Seit der Einführung der Corona-Maßnahmen bewegen sich die Menschen weniger, gleichzeitig verbringen sie mehr Zeit am Bildschirm. Das beobachtet die Gesundheitspsychologin Professor Dr. Jutta Mata von der Universität Mannheim. Sie beschäftigt sich schon seit langer Zeit mit den Themen Ernährung und Bewegung in deutschen Familien. In einem Interview erklärt sie, wie man trotz Homeoffice gesund durch die Krise kommen kann und welche Rolle dabei die sozialen Medien spielen.

Plötzlich verbringen wir alle ganz viel Zeit zuhause – mit Homeoffice, Homeschooling und mit eingeschränkten Sozialkontakten. Was bedeutet das für unsere Gesundheit?

Wir analysieren gerade Daten aus der Mannheimer Corona-Studie des German Internet Panels. Hier deuten die ersten Ergebnisse darauf hin, dass die große Mehrheit der Befragten aktuell weniger Sport macht und mehr Zeit am Bildschirm verbringt als vor Beginn der Maßnahmen. Aus früheren Studien zu den Auswirkungen einer Quarantäne wissen wir zudem, dass Menschen vermehrt mit Stresssymptomen, Ärger, Langeweile, Frustration und einem Gefühl der Isolation reagieren können. So war es beispielsweise bei der SARS-Epidemie, bei Ebola oder auch bei der Schweinegrippe. Studien bei Kindern und Jugendlichen geben zudem Hinweise darauf, dass auch weniger Bewegung, eine unausgewogene Ernährung, mehr Bildschirmzeit und weniger Schlaf eine Folge von Quarantäne sein könnten.

Wie schafft man es, gesund durch diese Zeit zu kommen, von der wir noch nicht wissen, wie lange sie andauern wird?

Die interessante Frage ist, wie man es erreicht, sich trotz allem viel zu bewegen, auf eine gesunde Ernährung und regelmäßige Schlafenszeiten zu achten. Wichtig ist dabei die persönliche Motivation: Am längsten hält man durch, wenn ein Verhalten Spaß macht oder einem persönlich wichtig ist. Beispielsweise kann ich Zeit, die ich mit meinen Kindern verbringen möchte, bewusst aktiver gestalten. Hilfreich sind zudem feste Strukturen und Pläne, etwa wenn man immer zu bestimmten Zeiten eine Runde joggen oder spazieren geht.
Ein ganz wichtiger Faktor einer gesunden Verhaltensweise ist auch das soziale Umfeld. Wir richten unsere Ernährungs­weise häufig daran aus, was, wie viel und wann andere essen. Beim Sport ist der soziale Kontext ähnlich wichtig: Gute Trainerinnen und Trainer achten deswegen darauf, dass sich die Mannschaft oder die Vereins­mitglieder gut verstehen, am besten noch anfreunden. Diese sozialen Komponenten fehlen in der Corona-Krise allerdings. Darin liegt eine große Chance für soziale Medien.

Foto: Uni Mannheim

Können uns soziale Medien tatsächlich dabei unterstützen, gesünder zu essen und mehr Sport zu treiben?
Aktuell untersuchen wir in einer Studie, wie Online-Communitys eine gesündere Ernährung und mehr körperliche Bewegung beeinflussen können – gerade jetzt, wenn man sich persönlich nicht begegnen kann. Aus unserer Forschung wissen wir, dass nicht nur der Kontakt zu anderen Menschen, sondern oft schon der Austausch über Sport oder Ernährung eine unterstützende und fördernde Rolle spielen.

Doch es gibt auch eine andere Seite der Medaille: Gerade durch die sozialen Medien fühlen sich viele verunsichert, weil sie andauernd Bilder von perfekten Menschen sehen.

Soziale Netzwerke spielen tatsächlich eine ambivalente Rolle und die Atmosphäre in den sozialen Foren ist manchmal wenig konstruktiv. Studien zeigen aber, dass das Liken und Betrachten von Bildern von Obst- und Gemüsemahlzeiten dazu führt, dass man selbst mehr davon isst. Für manche liefern solche Bilder eine Inspiration, eigene gesunde Gerichte zu kreieren. Und diejenigen, die Bilder ihrer gesunden Mahlzeiten posten, fühlen sich von ihrer Community stärker unterstützt. Der Austausch in Online-Foren spielt also eine zentrale Rolle und diesen Faktor wollen wir jetzt stärker unter die Lupe nehmen.

Noch ein Blick auf das Familienleben: Homeoffice ist derzeit oft keine Option, sondern eine Vorgabe. Wie können insbesondere Familien diese Situation gemeinsam meistern?

Bei Vorgaben überwiegt oft das Gefühl von Kontrollverlust. Aus psychologischer Sicht würde ich den Eltern zuerst raten, zu überlegen, was für sie positiv am Homeoffice ist. Das könnte beispielsweise die Tatsache sein, dass sie sich und ihre Familie besser vor Ansteckung schützen oder dass sie keine Anfahrtswege mehr haben. Gleichzeitig – und gerade mit kleineren Kindern – ist Homeoffice natürlich eine riesige Herausforderung. Ein Kollege sagte, es sei „wie Zähneputzen mit Nutella“. Das trifft es ganz gut – denn beides gleichzeitig, Kinder aufmerksam betreuen oder bei den Schulaufgaben begleiten und konzentriert zuhause zu arbeiten ist so unvereinbar wie Schokocreme mit Zahngesundheit.

Weitere Informationen zur Studie Gesundheits-Challenge: Gemeinsam mehr erreichen: Die Universität Mannheim untersucht gerade in einer wissenschaft­lichen Studie, wie Online-Communities Menschen dabei unterstützen können, sich gesünder zu ernähren und mehr zu bewegen – insbesondere in einer Zeit wie jetzt, wenn man sich persönlich nicht begegnen kann. Infos zur Teilnahme unter: http://www.uni-mannheim.de/studie