Mit der Senfölbombe gegen die Fressfeinde

Weißfäule-Pilz Sclerotinia sclerotiorum auf Arabidopsis Anna Schroll

Kohlpflanzen wehren sich gegen Fraßfeinde und Erreger durch die sogenannte Senföl-Bombe. Dabei werden bei Verwundung des Pflanzengewebes in einer chemischen Reaktion giftige Isothiocyanate gebildet, die Angreifer wirksam abwehren können. Forschende am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie und der Universität Pretoria konnten nun in einer neuen Studie zeigen, dass diese Verteidigung zwar auch gegen den weitverbreiteten Schadpilz Sclerotinia sclerotiorum wirksam ist, dieser aber mindestens zwei verschiedene Entgiftungsmechanismen nutzt, um sich auf derlei verteidigten Pflanzen erfolgreich ausbreiten zu können.

Der Weißfäule-Pilz Sclerotinia sclerotiorum ist ein verheerender Schaderreger im Pflanzenbau, der mehr als 400 verschiedene Pflanzenarten befallen kann. Die Krankheit, die er verursacht, wird Weißstängeligkeit genannt, weil das weiße, watteartige Pilzgewebe zuerst die Stängel überwuchert. Durch das erkrankte Gewebe knicken die Pflanzen um und welken. In der Landwirtschaft ist vor allem der Rapsanbau betroffen, weshalb die Pilzerkrankung auch Rapskrebs genannt wird. Von der Pflanzenkrankheit sind verschiedene Kohlarten, aber auch Kartoffeln, Hülsenfrüchte und Erdbeeren betroffen.

Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena beschäftigen sich schon lange mit Senfölglykosiden und Isothiocyanaten, die für den besonderen Abwehrmechanismus von Kohlpflanzen, zu denen Raps, Rettich und Senf gehören, grundlegend sind.

„Wir wollten herausfinden, wie erfolgreiche Schaderreger die Pflanzen trotzdem erfolgreich infizieren können und dabei die pflanzliche Verteidigung überwinden. Wir stellten uns daher die Frage, wie ein weitverbreiteter Pflanzenpilz an die chemische Abwehr von Kohlpflanzen angepasst ist“ erläutert Jingyuan Chen, die Erstautorin der Studie.

Die Forscher konnten in Experimenten zeigen, dass die auf Senfölglykosiden basierende Abwehr tatsächlich gegen Pilzbefall wirkt. Allerdings entdeckten sie mindestens zwei verschiedene Strategien des Weißfäule-Pilzes, die Abwehrstoffe zu entgiften: Die erste ist ein allgemeiner Entgiftungsmechanismus, bei dem Glutathion an die giftigen Isothiocyanate gebunden wird. Diese Art von Entgiftung organischer Abwehrstoffe findet man häufig bei Insekten und sogar Säugetieren. Der zweite und weitaus effektivere Weg, die Isothiocyanate unschädlich zu machen, besteht in ihrer Hydrolyse, also ihrer enzymatischen Spaltung mit einem Wassermolekül. Ziel der Forscher war es nun, die für diesen Entgiftungsmechanismus zugrundeliegenden Enzyme und die entsprechenden Gene zu identifizieren. Aus Bakterien waren bereits Gene bekannt, die eine erfolgreiche Entgiftung dieser Stoffe ermöglichen. Sie werden nach den Untersuchungen an der Modellpflanze Arabidopsis thaliana, einem Kreuzblütengewächs, Sax-Gene genannt – Survival in Arabidopsis eXtracts (Überleben in Extrakten von Arabidopsis).

„Wir konzentrierten unsere Suche auf die bereits bekannten SaxA-Proteine, um Kandidatengene für unsere Untersuchungen auszuwählen. Dann testeten wir, ob diese Gene in Pilzen, die den Giftstoffen ausgesetzt waren, wirklich vermehrt aktiviert werden, und ob das resultierende Protein die Giftstoffe unschädlich machen kann,“ erklärt Daniel Vassão, einer der Studienleiter.

Mit Hilfe hochauflösender analytischer Methoden konnten die Wissenschaftler die Stoffwechselprodukte, die bei der Entgiftung entstehen, im Pilz identifizieren und quantifizieren. Dafür verwendeten sie auch Mutanten des Pilzes, in denen das SaxA kodierende Gen stillgelegt worden war, zum Vergleich. Dieser Vergleich machte deutlich, dass das SaxA-Protein des Weißfäule-Pilzes gegen eine ganze Reihe von Isothiocanyaten aktiv ist. Dies nutzt der Pilz offenbar, um verschiedene Pflanzen der Gattung Kohl zu besiedeln.

Weißfäule-Pilz Sclerotinia sclerotiorum auf Medium Foto: Anna Schroll

Mutanten, denen das Gen für diesen Entgiftungsweg fehlte, waren dramatisch in ihrer Fähigkeit beeinträchtigt, die pflanzlichen Abwehrstoffe zu tolerieren. „Es war jedoch überraschend, das diese Mutanten den allgemeinen Entgiftungsmechanismus der Glutathion-Bindung hochfuhren, auch wenn dies den Verlust der Isothiocyanat-Hydrolyse nicht vollständig ausgleichen konnte“, sagt Jingyuan Chen. Die Glutathion-Bindung kann die Isothiocyanate nicht annähernd so wirkungsvoll entgiften, wie die Hydrolyse. Außerdem scheint sie für den Pilz kostenintensiver zu sein. Dennoch ist diese allgemeine Entgiftungsstrategie immer aktiv, hilft sie dem Pilz doch dabei, viele andere Abwehrstoffe zu entgiften.

„Möglicherweise schützt der allgemeine Entgiftungsmechanismus den Pilz am Anfang, während die speziell gegen die Isothiocyanate gerichtete Strategie erst dann aktiviert wird, wenn der Erreger erstmals diesen Giftstoffen ausgesetzt ist“, sagt Daniel Vassão.

In weiteren Experimenten möchten die Forscher nun testen, ob auch andere Schadpilze an Kreuzblütengewächsen Isothiocyanate über den gleichen Mechanismus entgiften, ob auch nicht verwandte Pilzarten in der Lage sind, diese Gifte abzubauen und wie sie dies bewerkstelligen. „Dann werden wir wissen, ob sich diese weit verbreitete Entgiftungsstrategie in Pilzen immer wieder neu entwickelt hat, oder ob es sich um ein konserviertes Merkmal handelt, das in vielen Pilzlinien zu finden ist und im Laufe der Evolution erhalten blieb,“ meint Jonathan Gershenzon, Direktor der Abteilung Biochemie, in der die Arbeiten durchgeführt wurden.