Die kontinuierliche Weiterentwicklung und Verbesserung von numerischen Modellen für die Untersuchung unseres Klimasystems ist sehr aufwändig und komplex. Am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel wurde nun ein neues modulares System vorgestellt, mit dem Untersuchungen flexibel und mit unterschiedlicher Komplexität durchgeführt werden können. Das FOCI (Flexible Ocean and Climate Infrastructure) genannte System besteht aus verschiedenen Komponenten, die je nach Fragestellung und verfügbarer Rechenleistung angepasst und in verschiedenen Disziplinen verwendet werden können.
Klimaforscher müssen in der Nachbildung der realen Welt immer Kompromisse eingehen. Auch mit den größten weltweit verfügbaren Computern können sie diese nur näherungsweise nachbilden. Je nach Anwendung müssen Vereinfachungen in der räumlichen Auslösung, aber beispielsweise auch in den physikalischen Prozessen eingegangen werden. Während man Untersuchungen über Zeiträume von Monaten bis zu wenigen Jahren oft noch mit hoher räumlicher Auflösung realisieren kann, können bei Integrationen über Jahrhunderte bis Jahrtausende nur gröber auflösende Modelle verwendet werden. In der Vergangenheit wurden Modelle speziell für den jeweiligen Zweck entwickelt. Am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel wurde jetzt ein flexibler Modellbaukasten, genannt FOCI (Flexible Ocean and Climate Infrastructure), vorgestellt, der auf dem Erdsystemmodell des Max-Planck-Institutes für Meteorologie in Hamburg basiert und insbesondere im Ozean mit dem NEMO-Ozeanmodell modifiziert wurde, um regional mit höheren Auflösungen auch kleinräumige Prozesse darzustellen.
„Wir kombinieren in FOCI die jahrzehntelange Expertise in der Ozean- und der Klimamodellierung am GEOMAR. Das neue System ermöglicht die Untersuchung neuer Fragestellungen wie beispielsweise die des Einflusses des stratosphärischen Ozonlochs auf die Zirkulation im Südozean oder der des Golfstroms auf atmosphärische Prozesse“, so Professorin Dr. Katja Matthes aus der Forschungseinheit Maritime Meteorologie des GEOMAR.
„Mit dem neuen System können wir sehr viele Fragestellungen auf ganz unterschiedlichen Zeitskalen untersuchen“, erläutert Professor Dr. Arne Biastoch, Leiter der Forschungseinheit Ozeandynamik am GEOMAR. „Wir haben das System zunächst standardisierten Basistests unterzogen“, so der Ozeanograph weiter. „Wir mussten herausfinden, ob das Modellsystem in der Lage ist, das beobachtete Klima und die bekannten Ozeanströmungen nachzubilden. Erst wenn dies innerhalb enger Fehlergrenzen erfolgreich ist, kann das System auch für die Untersuchung unbekannter Phänomene oder für Entwicklungen zukünftiger Klimazustände eingesetzt werden“. Die Ergebnisse, die jetzt in der internationalen Fachzeitschrift Geoscience Model Development publiziert wurden, sind sehr vielversprechend. „Besonders unser spezielles Knowhow, das Ozeanmodell regional mit sehr hoher Auflösung zu betreiben, verbessert die Ergebnisse erheblich und verringert beispielsweise sonst übliche Modellfehler wie Abweichungen der Meeresoberflächentemperaturen im Golfstromsystem“, so Professor Biastoch. Ferner sind mit FOCI Konfigurationen mit bisher unerreichten räumlichen Auflösungen von bis zu einem Kilometer im Ozean möglich.
Zu den bisher durchgeführten Basisexperimenten zählen ein Kontrolllauf über 1.500 Jahre mit vorindustriellen Treibhausgaskonzentrationen sowie mehrere Experimente über die Periode von 1850 bis heute, für die auch Beobachtungsdaten zum Vergleich vorliegen. „Wir sind mit den derzeit vorliegenden Ergebnissen sehr zufrieden“, sagt Katja Matthes. Das System soll aber noch weiter verbessert und für verschiedene Fragestellungen zur Untersuchung natürlicher Klimaschwankungen, aber auch des anthropogenen Klimawandels eingesetzt werden. „Aus unserer Sicht ist FOCI das ideale System für das GEOMAR, um sowohl kleinräumige Prozesse im Ozean, Wechselwirkungen zwischen Stratosphäre und Troposphäre sowie biogeochemische Prozesse im Ozean zu simulieren, und es erlaubt uns ferner komplexe Projekte wie eine große Anzahl von Modellsimulationen über mehrere Jahrzehnte mit vertretbarem Rechenzeitaufwand zu realisieren“, so Professorin Matthes abschließend.