Lebensmittelproduktion umstellen und die Artenvielfalt retten

Agrobiodiversität: Amphibien sind wichtige Störungsmelder in Agrarlandschaften. Thomas Cherico Wanger

Das Überleben des Menschen hängt nicht zuletzt von der Landwirtschaft ab. Diese nimmt allerdings weltweit mehr als ein Drittel der Landmasse ein und gefährdet 62 Prozent aller bedrohten Tier- und Pflanzenarten. Trotzdem könnten Agrarlandschaften dazu beitragen, die biologische Vielfalt eher zu fördern als zu schädigen – durch eine Umstellung der weltweiten Lebensmittelproduktion nach agrarökologischen Prinzipien. Mehr als 360 Wissenschaftler aus 42 Ländern unter der Leitung der Universität Göttingen und der Westlake University in China plädiert dafür, auf der UN-Biodiversitätskonferenz agrarökologische Grundsätze in das Global Biodiversity Framework aufzunehmen.

Intensive Landwirtschaft, die auf viel Pestizide und Dünger angewiesen ist, hat negative Folgen für die biologische Vielfalt. Eine nachhaltige Landwirtschaft, die dazu beitragen könnte, den Rückgang der Artenvielfalt umzukehren, ist nach Ansicht der Autorinnen und Autoren nur durch weltweit koordinierte Maßnahmen möglich. „Agrarlandschaften können Lebensräume für die biologische Vielfalt bieten, die Vernetzung von Schutzgebieten fördern und die Fähigkeit der Arten erhöhen, auf Umweltbedrohungen zu reagieren“, so die Forscherinnen und Forscher. Ihre Forderung: globale Forschungsnetzwerke stärken, technische Innovationen ausbauen und die Kommunikation verbessern. Wichtig ist ihnen in diesem Zusammenhang die Arbeit mit und Unterstützung von Landwirten, indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften. Die Diversifizierung von Nutzpflanzen zusammen mit neuen Sorten und Kombinationen kann zum Beispiel deren Erträge sichern. Darüber hinaus können diese Maßnahmen die biologische Vielfalt und die Ökosysteme unterstützen und gleichzeitig nahrhaftere und gesündere Nahrungsmittel für alle hervorbringen.

Workshops zu Handbestäubungstechniken geben den Bäuerinnen und Bauern ökologische Werkzeuge an die Hand, um ihre Erträge nachhaltig zu steigern. Thomas Cherico Wanger

Das Jahr 2020 ist für die biologische Vielfalt von entscheidender Bedeutung, nicht nur, weil die Zeit für die Erhaltung von Insekten und anderen Wildtieren knapp wird, sondern auch, weil die 15. Conference of the Parties (COP15) in China zur UN-Biodiversitätskonferenz zusammenkommen wollte, dies ist wegen der Covid-19-Pandemie auf 2021 verschoben. Auf der COP15 werden die globalen Rahmenbedingungen für den Schutz der biologischen Vielfalt nach 2020 verabschiedet, die Ziele zur Verringerung der Bedrohung der biologischen Vielfalt enthalten. Die Autorinnen und Autoren haben ausgearbeitet, wie agrarökologische Prinzipien dazu beitragen können, jedes dieser Ziele zu erreichen.

„Die Bedeutung der Agrarökologie für die Veränderung der Landwirtschaft und den Schutz der Biodiversität haben viele hochrangige Organisationen in Wissenschaft und Praxis anerkannt“, sagt Erstautor Prof. Dr. Thomas Cherico Wanger von der Westlake University in China und der Universität Göttingen. „Das zeigt sich auch in der Vielzahl der Unterzeichner und Institutionen unseres Artikels. Nach unseren positiven Diskussionen mit Vertretern der COP15 hoffe ich, dass dieser Artikel dazu beitragen kann, die Diskussionen auf politischer Ebene anzustoßen und einen positiven Einfluss auf die landwirtschaftlichen Produktionssysteme zu nehmen.“

Prof. Dr. Teja Tscharntke, Mitautor und Leiter der Abteilung Agrarökologie an der Universität Göttingen, fügt hinzu: „Die Agrarökologie hat das Potenzial, die Art und Weise, wie wir Landwirtschaft betreiben, zu verändern. Wir hoffen, dass unsere umfassende Forschungsagenda dazu beitragen wird, den Weg zu einer nachhaltigen, diversifizierten Landwirtschaft und zur Erhaltung der Biodiversität in der Zukunft zu beschreiten.“