Das Leben im Erdreich hat heutzutage gleich mit mehreren Problemen zu kämpfen. Die Biomasse der kleinen Tiere, die dort Pflanzen zersetzen und damit die Fruchtbarkeit des Bodens erhalten, nimmt sowohl durch den Klimawandel als auch durch eine zu intensive Bewirtschaftung ab. Zu ihrer Überraschung haben Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig allerdings festgestellt, dass dieser Effekt auf zwei unterschiedlichen Wegen zustande kommt: Während das veränderte Klima die Körpergröße der Organismen reduziert, verringert die Bewirtschaftung ihre Häufigkeit. Selbst mit Biolandwirtschaft lassen sich demnach nicht alle negativen Folgen des Klimawandels abpuffern, warnen die Forscher.
Weitgehend unbeachtet und im Verborgenen arbeitet unter unseren Füßen ein Heer von winzigen Dienstleistern. Unzählige kleine Insekten, Spinnentiere und andere Bodenbewohner sind unermüdlich damit beschäftigt, abgestorbene Pflanzen und anderes organisches Material zu zersetzen und die darin enthaltenen Nährstoffe zu recyceln. Schon lange aber befürchten Fachleute, dass diese für die Bodenfruchtbarkeit und die Funktionsfähigkeit der Ökosysteme so wichtigen Organismen zunehmend unter Stress geraten.
Denn zum einen sind sie mit den Folgen des Klimawandels konfrontiert, der ihnen hohe Temperaturen und ungewohnte Niederschlagsverhältnisse mit häufigeren Dürren beschert. Zum anderen leiden sie auch unter einer zu intensiven Landnutzung. Wenn beispielsweise eine Wiese in einen Acker umgewandelt wird, finden die Bodentierchen dort weniger Lebensräume und Nahrungsquellen. Und auch intensives Pflügen, Mähen oder Beweiden sowie der Einsatz von Pestiziden und großen Mengen Dünger wirken sich negativ aus. Was aber passiert, wenn das Bodenleben gleichzeitig mit beiden Herausforderungen konfrontiert ist? „Darüber wusste man bisher so gut wie nichts“, sagt Dr. Martin Schädler vom UFZ. Er und seine Kollegen von UFZ und iDiv aber haben sehr gute Möglichkeiten, solchen komplexen Fragen nachzugehen. Denn der Ökologe koordiniert die Freiland-Versuchsanlage „Global Change Experimental Facility“ (GCEF) in Bad Lauchstädt bei Halle. Dort können die Forscher auf unterschiedlich intensiv genutzten Acker- und Grünland-Parzellen das Klima der Zukunft simulieren. In großen Stahlkonstruktionen, die an Gewächshäuser ohne Dach und Wände erinnern, schaffen sie dazu ein Szenario, wie es in den Jahren 2070 bis 2100 für die Region typisch sein könnte: Es ist etwa 0,6 Grad wärmer als heute, im Frühjahr und Herbst fallen je zehn Prozent mehr Niederschlag und die Sommer sind etwa 20 Prozent trockener. Ein Team hat nun untersucht, wie sich diese Verhältnisse auf Milben und die zu den Insekten gehörenden Springschwänze auswirken. Beide Gruppen haben viele Zersetzer in ihren Reihen, die für die Nährstoffkreisläufe im Boden eine wichtige Rolle spielen.
Die Ergebnisse zeigen, dass diese Bodentiere durch den Klimawandel noch weiter schrumpfen dürften. „Vermutlich werden sich nicht nur kleinere Arten durchsetzen, sondern auch kleinere Individuen innerhalb derselben Art“, sagt Martin Schädler.
Jedenfalls waren die untersuchten Exemplare auf den Flächen mit höheren Temperaturen und veränderten Niederschlägen im Durchschnitt um etwa zehn Prozent kleiner als auf den Vergleichsflächen mit heutigem Klima. Solche Zusammenhänge zwischen Körpergröße und Klima kennen Biologen bisher vor allem bei größeren Tieren. So sind zum Beispiel die Bärenarten in den warmen Regionen der Erde deutlich kleiner als der Eisbär in der Arktis.
Das liegt daran, dass ein kleiner Körper eine vergleichsweise große Oberfläche hat, über die er Wärme abgeben kann – was in den Tropen ein Vorteil ist, in den Polarregionen aber leicht zum Auskühlen führt. Bei wechselwarmen Tieren wie Insekten kurbeln hohe Temperaturen zudem den Stoffwechsel und die Entwicklungsgeschwindigkeit an. „Dadurch entstehen schneller neue Generationen, die dann aber kleiner bleiben“, erklärt Martin Schädler. Legt man die Milben und Springschwänze aus den Parzellen mit verändertem Klima auf die Waage, kommt man daher auf weniger Gesamtgewicht als bei den unbeeinflussten Flächen. Das aber ist keine gute Nachricht. Denn von dieser Biomasse hängt auch die Zersetzungsleistung der Tierchen ab. Weniger Gesamtgewicht bedeutet also auch ein gebremstes Nährstoffrecycling. Einen ganz ähnlichen Effekt kann dem Experiment zufolge auch eine zu intensive Landnutzung auslösen. Denn auch dadurch geht die Biomasse im Boden zurück.
„Interessanterweise steckt dahinter aber ein anderer Vorgang“, fasst Martin Schädler das wichtigste Ergebnis der Studie zusammen. „Anders als das Klima verringert die Nutzung nicht die Größe der Tiere, sondern ihre Dichte.“ So lebten auf den GCEF-Flächen mit konventioneller Landwirtschaft rund 47 Prozent weniger Milben und Springschwänze als auf der extensiv genutzten Wiese.
„Das Spannende und Ernüchternde daran ist, dass sich die Effekte von Klima und Nutzung kaum gegenseitig beeinflussen“, sagt der Ökologe. Bisher hatten viele Experten nämlich gehofft, dass eine naturverträgliche Landwirtschaft eine Art Versicherung gegen die negativen Folgen des Klimawandels bieten könnte. Schließlich führt Biolandbau in der Regel zu einer vielfältigeren Lebensgemeinschaft auf Äckern und Grünland. Das aber mache solche Ökosysteme weniger anfällig für klimatische Störungen als konventionell genutzte Flächen, so die Überlegung.
Wenn es darum geht, die Leistungsfähigkeit der Bodentiere zu erhalten, scheint diese Strategie allerdings nicht aufzugehen: Die veränderten Temperaturen und Niederschläge reduzieren deren Biomasse unabhängig von der Bewirtschaftung. „Nicht alles, was durch die Erwärmung kaputtzugehen droht, lässt sich also durch eine umweltverträgliche Landnutzung retten“, resümiert Martin Schädler. Um die Folgen des Klimawandels abzumildern, müsse man daher direkt bei den Treibhausgasen ansetzen – und zwar so schnell wie möglich. „Wir können uns nicht darauf verlassen, dass uns schon noch etwas anderes einfallen wird.“