Ölpalmen-Plantagen soweit das Auge reicht. Neben einem dramatischen Schwund vieler Tier- und Pflanzenarten führen solche Plantagen oft zu massiven Umweltproblemen. Zunehmend stellen auch Kleinbauern in den Tropen die Bewirtschaftung ihres Landes von traditionellen auf diese wirtschaftlich attraktiveren Landnutzungssysteme um. Eine aktuelle Studie von 41 Forschenden zeigt jetzt erstmals die ökonomisch-ökologischen Zielkonflikte dieser Entwicklungen für die Ölpalmlandschaften Indonesiens auf. Dort führt die Umstellung von Wald- und Agroforstsystemen zu Kautschuk- und Ölpalmenmonokulturen zwar zu deutlichen Einkommenssteigerungen bei den beteiligten Kleinbauern.
„Das hat jedoch einen dramatischen Verlust der Artenvielfalt zur Folge“, so der Erst-Autor der Publikation Prof. Dr. Ingo Graß von der Universität Hohenheim in Stuttgart. Eine Lösung aus dem Dilemma könnten Änderungen der wirtschaftlichen Anreizstrukturen darstellen, wie z. B. eine Zertifizierung nachhaltiger Anbaupraktiken. Die tropischen Regenwälder gehören zu den artenreichsten Lebensräumen unserer Erde. Doch sie sind vor allem durch die zunehmende Ausbreitung und Intensivierung der Landwirtschaft massiv bedroht. In den letzten Jahren richtete sich die Aufmerksamkeit von Umweltschutzorganisationen und Medien vor allem auf die ständig wachsenden Großplantagen, insbesondere die von Ölpalmen. „Es sind jedoch Kleinbauern mit landwirtschaftlichen Betrieben zwischen 10 und 20 ha Größe, die in vielen tropischen Regionen den größten Teil der landwirtschaftlichen Nutzfläche bewirtschaften“, erklärt Prof. Dr. Graß. Obwohl diese Kleinbauern die Landschaften stark prägen, sind die sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Folgen noch wenig untersucht.
Studie untersucht Folgen von kleinbäuerlichen Monokulturen
In einer interdisziplinären Studie der Universitäten Göttingen, Hohenheim und indonesischer Partneruniversitäten im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereiches 990 „EFForTS“ wurden jetzt erstmals die ökonomisch-ökologischen Zielkonflikte dieser Entwicklungen für die Ölpalmlandschaften Indonesiens untersucht. In den letzten Jahrzehnten hat sich das Tiefland der Provinz Jambi auf Sumatra in Indonesien von einer waldreichen zu einer von Nutzpflanzen dominierten Landschaft mit Kautschuk- und Ölpalmenplantagen gewandelt. Wie groß das Ausmaß ist, verdeutlicht Prof. Dr. Graß: „Waren 1990 noch rund 50 % der Fläche mit Regenwald bedeckt, waren es 2013 nur noch 35 %. Und diese Entwicklung hält immer noch an. Mit weitreichenden Folgen für Mensch und Umwelt.“
Kleinbauern profitieren deutlich von Monokulturen – zu Lasten der Artenvielfalt
So verbessert die Umstellung von den traditionellen Wald- und Agroforstsystemen, bei denen verschiedene Pflanzenkulturen gemeinsam mit Bäumen auf einer Fläche wachsen, hin zu Kautschuk- und Ölpalmenmonokulturen die Einkommenssituation der Kleinbauern deutlich. Nicht nur, weil für Ölpalmenfrüchte deutlich höhere Marktpreise erzielt werden können als für andere Kulturen, sondern auch weil Monokulturen einfacher zu bewirtschaften sind.
„Zudem ist die Ölpalme im Vergleich zu anderen Ölfrüchten, wie z. B. Soja, etwa dreimal so produktiv“, erläutert Prof. Dr. Graß. „ Allerdings bewirtschaften die Kleinbauern in unserer Untersuchungsregion ca. 61 % der Anbaufläche für Ölpalmen, produzieren aber nur 40 % der gesamten Ölmenge.“
Dies hat dramatische Folgen für die Artenvielfalt, welche sowohl oberirdische als auch unterirdische Organismen betreffen. Finden sich in einem intakten Regenwald auf Sumatra tausende verschiedener Arten, angefangen bei Bakterien, Pilzen und Würmern über Bäume, Insekten und Vögel bis hin zu den Fledermäusen, so sind in den Monokulturen über 90 % der Arten verschwunden. Zudem weisen diese Monokulturen eine deutlich verminderte Funktionalität auf. So kann der nährstoff- und artenarme Boden zum einen deutlich weniger von dem Treibhausgas CO2 speichern, zum anderen können Nähr- und Schadstoffe leichter ausgewaschen werden und gelangen so in Grundwasser und Flüsse. In der Folge werden Brunnen und Flüsse als Trinkwasserquelle unbrauchbar, weil das Wasser zum Beispiel mit Nitraten und Aluminium verunreinigt ist.
Konfliktpotenzial, weil sich Schere zwischen Arm und Reich vergrößert
Doch nicht nur die Artenvielfalt ist bedroht. Die Entwicklung hin zu kleinbäuerlichen Monokulturen führt auch zu gesellschaftlichen Veränderungen. Wer über Land verfügt, auf dem Ölpalmen angebaut werden können, ist deutlich wohlhabender als Menschen ohne ausreichendes Wissen oder Zugang zu Land und Ressourcen. Hier könnte ein Konfliktpotenzial entstehen, befürchten die Autoren der Studie, weil die Schere zwischen Arm und Reich zunehmend größer wird.
Individuelle Lösungsansätze sind nötig
Wie kann nun eine Lösung aussehen? „Ideen gibt es viele, aber sie müssen in der jeweiligen Region auch umsetzbar sein und von den Menschen akzeptiert werden“, sagt Prof. Dr. Graß. Gleichzeitig muss das Dilemma zwischen dem Erhalt der Artenvielfalt und einem möglichst hohen Einkommen für die Kleinbauern gelöst werden können. Denn auf nationaler Ebene hat der Ölpalmenboom seit 2000 schätzungsweise bis zu 2,6 Millionen ländliche Indonesier aus der Armut befreit. Das Autorenteam hat dazu verschiedenen Landnutzungstypen im Computer simuliert, um zu ermitteln wie viel Profit in der jeweiligen Landschaft generiert werden kann und wie viele Arten dort zu finden sind. Über einen Optimierungsalgorithmus konnte ermittelt werden, welche Landnutzungsform zu einer möglichst hohen Artenvielfalt bei einem bestimmten Profit führt.
So entstanden Landschaftskompositionen, welche einige der Zielkonflikte bei optimaler Landnutzungszuweisung abschwächen. „Idealerweise bestehen Kleinbauernlandschaften aus einem Mosaik aus Waldfragmenten, Agroforst, Monokulturen und Siedlungen, die das Potenzial haben, hohe Erträge und hohe Artenvielfalt zu kombinieren“, führt Prof. Dr. Graß aus.
Die Simulationen zeigen allerdings, dass von intensiven Monokulturen dominierte Landschaften immer zu höheren Profiten für die Kleinbauern führen. Tatsächlich ist die Ölpalmenmonokultur die landsparendste Möglichkeit einen möglichst hohen Profit zu erwirtschaften. Um die Verluste an biologischer Vielfalt und Ökosystemfunktionen jedoch möglichst gering zu halten, müssen Ausgleichsflächen existieren, wo der Regenwald möglichst naturbelassen bleibt. Für das Autorenteam sind deshalb neue, auf eine nachhaltige Landbewirtschaftung abzielende, wirtschaftliche Anreizstrukturen dringend erforderlich. Dies können z. B. behördlich geförderte Maßnahmen sein, wie etwa eine Verpflichtung innerhalb von Monokulturen Regenwald-Inseln stehen zu lassen, oder Premiumpreise für Produkte, die mit umweltfreundlichen Methoden hergestellt wurden, wie Kautschuk oder Palmöl aus zertifizierten Landschaften. „Erste Gespräche mit lokalen Behörden laufen bereits“, gibt Prof. Dr. Graß als Ausblick.