Politiken der Nicht-Nachhaltigkeit

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Wie wirken sich das Erstarken rechtspopulistischer Bewegungen und die Entwicklung neuer sozialer Ungleichheiten auf Nachhaltigkeitspolitik aus? Mit dieser Frage setzt sich eine Pilotstudie der Europa-Universität Flensburg (EUF) und der Technischen Universität (TU) Dortmund auseinander. „Alle Felder einer sozial-ökologischen Transformation sind abhängig von gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, die über ihr jeweiliges Themenfeld hinausreichen“, erklärt Dr. Bernd Sommer, Leiter des Forschungsbereichs Klima, Kultur und Nachhaltigkeit des Norbert Elias Center for Transformationdesign & Research der EUF. „Ob sie nachhaltige Mobilitätsysteme etablieren, den Agrarsektor verändern oder das Energiesystem verändern möchten, immer brauchen sie die politische Unterstützung und eine breite Akzeptanz der Bevölkerung.“

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In der jüngeren Vergangenheit sind jedoch in nahezu allen frühindustrialisierten OECD-Ländern sowie darüber hinaus in zahlreichen Entwicklungs- und Schwellenländern zwei Entwicklungen zu beobachten, die die Akzeptanz einer „Mobilitäts“-, „Agrar“- oder „Energie“-Wende“ zunehmend in Frage stellen: „Zum einen erstarken national-autoritäre und populistische Bewegungen, Parteien und Politiker*innen“, sagt Dr. Bernd Sommer. „So verschieden diese Parteien oft sein mögen, einig sind sie sich meist darin, dass sie Flucht und Migration ablehnen und Umwelt- und Klimaschutzpolitik in Frage stellen.“ Dadurch entsteht bei diesen Themen ein Trend zu einer zunehmenden Polarisierung von Öffentlichkeiten. „Dieser Trend muss als zentrale Herausforderung für die demokratische Willensbildung in den OECD-Ländern betrachtet werden“, betont Sommer.

Ursächlich dafür scheint die zweite Entwicklung zu sein, die in der Pilotstudie untersucht wird: Die sozialstrukturelle Entwicklung hin zu zunehmender sozialer Ungleichheit. „Es geht dabei weniger um absolute Armut als um Prozesse sozialer Spaltung, die zu Verunsicherung führen. Offenbar ist die soziale Positionierung von Personen – und insbesondere ihre Deutung und Wahrnehmung im Vergleich zu anderen Teilgruppen der Gesellschaft – relevant dafür, wie diese Personen zu einer Gesellschaftstransformation zur Nachhaltigkeit stehen“, erklärt Miriam Schad von der TU Dortmund. „Sicher ist, dass ökologische und soziale Problemlagen miteinander verschränkt sind.“

Die Pilotstudie „Politiken der Nicht-Nachhaltigkeit“ (PONN) bringt somit die existierende Forschung zum Rechtspopulismus mit Umweltthemen zusammen und sie fragt danach, wie sich die steigende soziale Ungleichheit auf die Akzeptanz und Praxis einer sozial-ökologischen Transformation auswirkt. „Diese Fragestellungen sind nicht nur aufgrund der relativen Neuheit des Forschungsfeldes akademisch interessant, sondern aufgrund der Herausforderung des Klimawandels von großer gesellschaftlicher Relevanz“, erklärt Sommer. „Denn die Auseinandersetzung mit der gegenseitigen Abhängigkeit von ökologischen und sozialen Problemlagen besitzt das Potenzial, Umwelt(schutz)politik auch als Sozialpolitik zu verstehen und zu konzipieren und so zu ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz beizutragen und ihre Legitimation zu erhöhen.“