Angesichts des fortschreitenden Verlusts an Biodiversität weltweit haben die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen 2010 beschlossen, die Jahre 2011 bis 2020 zur „UN-Dekade für biologische Vielfalt“ zu erklären. Ziel ist es unter anderem, die Wertschätzung für die biologische Vielfalt in allen Teilen der Gesellschaft zu verbessern. Die Bundesregierung ist dieser Verpflichtung nachgekommen und hat 2011 die UN-Dekade „Biologische Vielfalt in Deutschland“ ins Leben gerufen. Seitdem werden im Rahmen des Wettbewerbs „Biologische Vielfalt“ Projekte ausgezeichnet, die sich für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung biologischer Vielfalt sowie für eine verbesserte Kommunikation einsetzen. Der 2017 gestartete Sonderwettbewerb „Soziale Natur – Natur für alle“ würdigt Projekte, die soziale Aktivitäten und Naturvielfalt verbinden und Menschen für die biologische Vielfalt begeistern.
Konzepte für Blinde und Sehbehinderte
Im Rahmen dieses Sonderwettbewerbs war jetzt der LehrLernGarten (LLG) im Botanischen Garten der Universität Würzburg erfolgreich: Ausgezeichnet wurden Lehrveranstaltungen in Kooperation mit der Professur für Museologie, der Sonderpädagogik und des Lehrstuhls für Psychologische Ergonomie. Dort wurden zusammen mit Studierenden Konzepte und Prototypen von Materialien entwickelt, um auch blinden und sehbeeinträchtigten Menschen den Botanischen Garten zugänglich zu machen.
Gemeinsame Erlebnisse – geteiltes Erleben
Professor Max Weigend, Präsident des Verbands Botanischer Gärten, gratulierte den Würzburger Preisträgern: „Botanische Gärten sind in erster Linie etwas fürs Auge. Menschen mit einer Sehbehinderung und Blinden erschließen sie sich deshalb nicht automatisch“, sagte er. Dass auch diese Gruppen den Botanischen Garten in Würzburg besuchen und erfahren können, war das Ziel der Lehrveranstaltungen.
„Eine App, ein Audio-Rundgang, Raumbeschreibungen, Tastmodelle, eine interaktive Soundkulisse, Riechbeete und zahlreiche weitere Angebote sollen neuen Besuchergruppen die Vielfalt des Botanischen Gartens erschließen und ihnen Einblicke in die Biodiversität und ihre vielen Facetten erlauben“, erläuterte Weigend. Die in den Lehrveranstaltungen entwickelten Prototypen und Ideen werden langfristig im Botanischen Garten umgesetzt, damit Blinde und Sehende ihre Eindrücke teilen können. Ziel sind „gemeinsame Erlebnisse und ein geteiltes Erleben“.
„Botanische Gärten sind Orte der Bildung – Bildung für Alle“, so Weigend. Deshalb freue es ihn besonders, wenn der Botanische Garten Würzburg mit solch einem Modellprojekt vorangeht und den Weg für andere Gärten bahnt, um Inklusion mit Leben zu erfüllen.
Der Botanische Garten
Der Botanische Garten in Würzburg ist eine universitäre Forschungs- und Bildungseinrichtung. Die umfangreichen Pflanzensammlungen aus aller Welt, die gärtnerische Expertise und die wissenschaftliche und didaktische Betreuung machen ihn zu einem Ort der biologischen Vielfalt. Diese Vielfalt ermöglicht es, in unterschiedlichen Aufgabenbereichen tätig zu sein: Lehre und Forschung, Artenschutz, allgemeine Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung – aber auch, um als Ort der Erholung und Faszination zu dienen.
Entsprechend divers sind die Zielgruppen: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Studierende, Lehrkräfte mit Schulklassen und die interessierte Öffentlichkeit. Etwa 40.000 Besucher nutzen jährlich den Garten und sein öffentliches Veranstaltungsprogramm mit Führungen, Ausstellungen, Vorträgen und Workshops. Intensiv wird der Garten von Schulklassen aller Schultypen und Altersstufen als außerschulischer Lernort genutzt.
Der LehrLernGarten
Seit 2010 existiert das Projekt „LehrLernGarten“. Studierende betreuen dort unter Anleitung in speziellen Projekten Schulklassen und können so Praxiserfahrung in der Wissensvermittlung sammeln. Intensiv engagiert sich der LLG im Bereich „Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ (BNE). Hierbei ist der Transfer der Theorie aus Seminaren und Vorlesungen in die Praxis das Hauptziel. Einzigartig sind die oben genannten angebotenen Veranstaltungen zum Thema Biodiversität und Inklusion. Dabei werden die besonderen Bedürfnisse von körperlich, kognitiv und sinnesbeeinträchtigten Menschen berücksichtigt. In den vergangenen zwei Jahren standen blinde und sehbeeinträchtigte Menschen im Fokus, um ihnen die Vielfalt erlebbar zu machen.