Klimaschonende Energiesysteme der Zukunft

Foto (Uni Paderborn, Kamil Glabica): Im Forschungsprojekt „FlexiEnergy“ entwickeln Wissenschaftler der Universität Paderborn ein intelligentes Planungswerkzeug, das Netzbetreibern dabei helfen soll, unser künftiges Energiesystem klimaschonend, stabil und kosteneffizient zu gestalten

im Forschungsprojekt „FlexiEnergy“ entwickeln Wissenschaftler der Universität Paderborn ein intelligentes Planungswerkzeug, das Netzbetreiber dabei unterstützen soll, das Energiesystem der Zukunft klimaschonend, netzstabil und finanziell effizient zu gestalten: Ob das eigene Haus, Bürogebäude, der private Pkw oder die Industrieproduktion: Überall wird Energie benötigt – für Strom, Wärme, Belüftungs- und Kühlsysteme oder Antriebstechnologien. Jahrzehntelang setzte Deutschland neben der Kernenergie vorwiegend auf Kohle, Öl und Erdgas. Doch diese fossilen Energieträger sind endlich und sie füttern Anlagen, bei deren Betrieb massenhaft klimaschädliche Treibhausgasemissionen entstehen. Der Bund hat daher die „Energiewende“ ausgerufen. Mehr und mehr soll unser Energiesystem aus erneuerbaren Energiequellen wie Wind- und Solarkraft gespeist werden. Die Herausforderungen dabei: Die Energieversorgung muss auch künftig stabil laufen, kosteneffizient sein und die Interessen zahlreicher Akteure müssen unter einen Hut gebracht werden. Im Forschungsprojekt „FlexiEnergy“ entwickeln Wissenschaftler der Universität Paderborn ein intelligentes Planungswerkzeug, das Netzbetreiber dabei unterstützen soll, das Energiesystem der Zukunft klimaschonend, netzstabil und finanziell effizient zu gestalten.

Das im August 2018 gestartete Projekt läuft noch bis Mitte 2021 und wird von der EU und dem Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes NRW mit 1,8 Millionen Euro gefördert. Verantwortlich für die Koordination des Projekts, an dem acht regionale Einrichtungen aus Wissenschaft und Wirtschaft beteiligt sind, ist das Software Innovation Lab (SI-Lab) des SICP – Software Innovation Campus Paderborn der Universität.

Foto: Uni Paderborn

„Für unser künftiges Energiesystem ist es wichtig, die Sektoren Strom, Wärme/Kälte und Mobilität effizient zu koppeln, damit sich der Anteil regenerativer Energien am Gesamtverbrauch weiter erhöhen lässt. Dazu müssen wir verschiedene Einzeltechnologien aus den Bereichen Energietransport, -speicherung und -transformation in einem ganzheitlichen System zusammenfassen“, erläutert Projektleiter Dr. Christoph Weskamp. Beim Aufbau eines Systems, das verschiedene Energiesektoren umfasst, müssen insbesondere die Netzbetreiber eine Reihe von Entscheidungen treffen. Etwa: Wie sollte ich meine Verteilnetze um- und ausbauen? Und welche Speicher- und Transformationstechnologien müssen zum Einsatz kommen? Hier setzt das Paderborner Forschungsprojekt an: „Unser Ziel ist es, ein intelligentes Entscheidungsunterstützungssystem für die Gestaltung von Energiesystemen zu entwickeln und damit Netzbetreibern beim Planungs- und Transformationsprozess ihrer Verteilnetze zu helfen“, fasst der wissenschaftliche Koordinator des Projekts Prof. Dr. Gregor Engels zusammen. Mit ihrer Forschung wollen die Wissenschaftler Wechselwirkungen zwischen den Energieträgern Strom, Gas und Fernwärme nutzen und so Energiesysteme kosteneffizienter, CO2-ärmer und damit klimaschonender machen – bei gleichbleibender Netzstabilität.

Intelligentes Planungswerkzeug für Netzbetreiber

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Im Projekt „FlexiEnergy“ entwickeln Paderborner Wissenschaftler aus den Bereichen Datenbank- und Informationssysteme, Elektrische Energietechnik und Wirtschaftsinformatik das Entscheidungsunterstützungssystem in Form eines intelligenten Planungswerkzeugs. Mit dem Tool könnten Netzbetreiber künftig ihre Netze kosteneffizient gestalten und sie für die nächsten Jahre robust auf verschiedene Last- und Einspeiseszenarien vorbereiten. „Dabei berücksichtigen wir insbesondere die Versorgungssicherheit: Das von uns erstellte Netz soll beispielsweise bei Fehlverhalten von einzelnen Transformatoren nicht zusammenbrechen und weiterhin die Bevölkerung zuverlässig mit Energie versorgen. Neue Technologien wie Energiespeicher und Sektorkopplungsanlagen werden ebenfalls berücksichtigt. Als Ergebnis bekommt der Netzbetreiber einen detaillierten Ausbauplan für sein Netz vorgeschlagen“, erklärt Wirtschaftsinformatiker Prof. Dr. Guido Schryen.

Für das Planungswerkzeug erforschen die Wissenschaftler, wie Softwareinnovationen bei der Gesamtplanung des Energiesystems der Zukunft helfen können. „Hier kombinieren wir Methoden der Szenarioplanung zur Abbildung von künftigen Wertentwicklungen, Methoden der physikalischen Simulation zur Berechnung von Lasten im Strom-, Gas- und Wärmenetz sowie Methoden der mathematischen Optimierung zur möglichst effizienten Netzgestaltung“, beschreibt Gregor Engels das Vorgehen.

Neue Tarife, die klimafreundliches Verhalten belohnen

Foto: Uni Paderborn

Neben Netzbetreibern sollen auch Energieerzeuger, -versorger und Endkunden von der Paderborner Forschung profitieren. Dazu Prof. Dr.-Ing. Stefan Krauter, Inhaber des Lehrstuhls für Elektrische Energietechnik: „Im Projekt haben wir bereits Vorschläge ausgearbeitet, wie sich künftige Energietarife gestalten lassen. Entstanden sind neue Tarifmodelle, wie beispielsweise ein Flex-Strom-Tarif, der klimafreundliches Verhalten belohnt und fördert. Durch den Zusatznutzen der „Netzdienlichkeit“ verringern sich zudem Netzverluste und Verbraucherabgaben. Bevor die Tarife aber tatsächlich am Markt umgesetzt werden können, müssen die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen geändert werden. Im Projekt erarbeiten wir daher auch konkrete politische Handlungsempfehlungen.“

 

Offen für neue Technologien

Aktuell sind im Energiebereich zahlreiche klimaschonende Technologien im Einsatz. So wird Energie etwa über Photovoltaik-, Windkraft-, Solarthermie- und Blockheizkraftwerk-Anlagen gewonnen, in stationären Batterie-, Gas- und Wärmelementen gespeichert sowie in Strom- und Gasleitungen transportiert. Doch das intelligente Planungswerkzeug der Paderborner Forscher integriert nicht nur diese Technologien, wie Christoph Weskamp erklärt: „Großes Potential haben künftig vor allem Sektorkopplungstechnologien, welche die Sektoren Strom, Wärme und Mobilität verbinden. Insbesondere im Bereich der ‚Power-to-X-Technologien‘, also etwa Power-to-Wasserstoff, tut sich gerade sehr viel. Daher wird das von uns entwickelte Entscheidungsunterstützungssystem erweiterbar sein, sodass künftig auch neue Technologien integriert werden können.“

Einflussfaktoren, Versorgungsgebiete und moderne Software im Blick

Um die vielen verschiedenen Anforderungen der Energiedomäne möglichst ganzheitlich im intelligenten Planungswerkzeug umzusetzen, gehen die Paderborner Forscher in „FlexiEnergy“ arbeitsteilig vor. Das Team um Stefan Krauter identifizierte zunächst die für ein Energiesystem relevanten Einflussfaktoren. Darauf aufbauend erstellten die Forscher eine erste Version eines Wissenssystems, das diese komplexen und oft unsicheren Einflussfaktoren, wie etwa die Entwicklung der Anzahl installierter Wärmepumpen in Privathaushalten, einschließlich ihrer energetischen Wechselwirkungen, abbildet und für Netzbetreiber transparent darstellt. „Daraus können Entscheider dann verschiedene Zukunftsszenarien ableiten, die es ermöglichen, Handlungsoptionen unter Berücksichtigung verschiedener Rahmenbedingungen zu betrachten“, so Stefan Krauter.

Die Wissenschaftler um Guido Schryen untersuchen, wie mittels mathematischer Optimierung das Versorgungssystem effizienter gestaltet werden kann. Sie erforschen dabei insbesondere, wie sich große Versorgungsgebiete im Zuge der Sektorkopplung optimieren lassen.

„Während es für kleinere Teilnetze schon Forschungsarbeiten gibt, möchten wir auch große städtische und ländliche Versorgungsnetze abbilden und einen robusten Ausbauplan für die Zukunft errechnen, um eine sichere Energieversorgung kostengünstig gewährleisten zu können“, erläutert Guido Schryen.

Gregor Engels und seine Kollegen integrieren die im Projekt entwickelten Methoden und Verfahren zur Simulation und Optimierung eines künftigen Energiesystems in ein ganzheitliches Planungswerkzeug. Dabei setzen sie auf moderne Software-Architekturen wie komponentenorientiertes Design. „Der Anwender, also die Entscheidungsträger von Netzbetreibern, profitieren dadurch, dass je nach konkreter Fragestellung die oben beschriebenen Methoden möglichst passgenau ausgewählt und konfiguriert werden“, erklärt Engels.

Erste Praxistests

Die für „FlexiEnergy“ wichtigen Daten aus der Alltagspraxis der Energiebranche erhalten die Paderborner Wissenschaftler von den am Projekt beteiligten Netzbetreibern. „Die kooperierenden Unternehmen evaluieren im Rahmen von Workshops bereits Teile unseres Planungswerkzeugs. Das Feedback fließt direkt in unsere weitere Entwicklung ein. So ist garantiert, dass unser Entscheidungsunterstützungssystem am Ende in der Praxis eingesetzt werden kann“, bilanziert Christoph Weskamp.