NABU: Bundesmarine versagt beim Schutz bedrohter Schweinswale

Schweinswal im Becken im Ecomare Foto:NABU

Ende August 2019, zur Fortpflanzungszeit der Schweinswale, sprengte ein NATO-Flottenverband unter Beteiligung der Bundesmarine 42 britische Grundminen aus dem Zweiten Weltkrieg im Naturschutzgebiet Fehmarnbelt. Jetzt wurden die abschließenden Untersuchungen zu den Auswirkungen auf streng geschützte und vom Aussterben bedrohte Wale vom Bundesumweltministerium veröffentlicht: Mindestens acht der kleinen Zahnwale wurden getötet. Die Bundeswehr teilte jetzt mit, bis auf Weiteres auf geplante Sprengversuche an einer ausgemusterten Fregatte in der Ostsee zu verzichten.

Der zwischen dem Bundesumwelt- und Bundesverteidigungsministerium abgestimmte Untersuchungsbericht präsentiert niederschmetternde Fakten: Die Minensprengungen im Schutzgebiet Fehmarnbelt, im wichtigsten Fortpflanzungs- und Migrationskorridor für Schweinswale in der deutschen Ostsee, haben zum Tod von mindestens acht streng geschützten Walen geführt. Die Explosionen von jeweils über 300 Kilogramm Sprengstoff führten noch in mehreren Kilometern Entfernung zu tödlichen Verletzungen. Die Schockwelle zerriss Gewebe, führte zu Organ- und Gehörschäden bei den Walen, Experten sprechen von Explosionstraumata. Noch in über 20 Kilometern Entfernung wurde der 2013 zum Schutz von Schweinswalen eingeführte Grenzwert von 160 Dezibel überschritten. Darüber hinaus zerstörten 39 der Explosionen nach europäischem Recht geschützte Riffe in einem Radius von bis zu 30 Metern.

Seemine Foto: NABU

Nach Auffassung des NABU zeigt der Bericht das Totalversagen der Bundesmarine beim Schutz mariner Säugetiere und einen Verstoß gegen geltendes Naturschutzrecht. „Die Bundesmarine muss Konsequenzen ziehen und ihre Einstellung zum Natur- und Artenschutz grundsätzlich überdenken. Das betrifft auch die verbindliche Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen vor unvermeidlichen Sprengungen“, so NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger. „Es ist gut, dass nun erste Sprengversuche ausgesetzt und Handlungsleitfäden für die Marine entwickelt werden sollen. Das ist aber längst nicht ausreichend. Unterwassersprengungen müssen grundsätzlich vermieden werden. Wir brauchen dringend eine nationale Strategie zum Umgang mit dem gefährlichen Weltkriegserbe am Grund von Nord- und Ostsee.“

Unterwasserschall ist zur Hauptbedrohung von Schweinswalen in Nord- und Ostsee geworden. „Wir sind beunruhigt über die jüngsten Forschungen, die zeigen, dass viele Wale Schädigungen des Gehörs aufweisen. Ohne ihren spezialisierten Sinn der Echolokation können Wale weder Schiffen noch tödlichen Stellnetzen ausweichen. Das führte im Zeitraum des Untersuchungsberichts zum Tod mindestens zweier weiterer Wale. Wir müssen endlich mehr für den marinen Artenschutz tun“, mahnt NABU-Meeresschutzexperte Dr. Kim Detloff.

Totfund eines Schweinswal-Kalbs Foto: NABU

Erst am 8. Oktober hatte das Bundesamt für Naturschutz (BfN) seine aktuelle Rote Liste bedrohter Tierarten herausgegeben. Der Schweinswal gilt in der deutschen Ostsee als vom Aussterben bedroht. Unterwasserlärm durch Sprengungen von Altmunition zählt dabei zu den größten Gefahren für das Überleben der kleinen Wale.

Der NABU appelliert an die Bundesregierung, jetzt die notwendigen Strukturen und Finanzmittel für die strategische und naturverträgliche Bergung von Altmunition bereitzustellen. Ähnlich hatte sich auch die Konferenz der Umweltminister von Bund und Ländern Ende 2019 positioniert. Die Bundeswehr ist aufgefordert, konsequent auf alternative Entsorgungsmethoden für Munitionsaltlasten zu setzen und ihre Sprengversuche nicht ins Ausland zu verlagern.

Schweinswal im Becken im Ecomare Foto: NABU

Das BfN sieht in seinem Untersuchungsbericht zu den Minensprengungen auch das Ziel des günstigen Erhaltungszustands des Schweinswals im Naturschutzgebiet Fehmarnbelt gefährdet. Das müsse auch im Zusammenhang mit anderen Beeinträchtigungen, wie der geplanten Fehmarnbeltquerung, betrachtet werden, so Detloff. Bis Anfang Oktober verhandelte das Bundesverwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung für den Fehmarnbelttunnel.