Uni Hildesheim: Wie solidarisch kann eine Gesellschaft handeln?

Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Marianne Kneuer. Foto: Isa Lange

Selbst zurückzustehen, um andere zu schützen – dazu ist in der aktuellen Pandemie nicht jeder gleichermaßen bereit. Wie gesellschaftliche Solidarität entsteht – und welche Rolle dabei entsprechende Appelle aus der Politik spielen – erforscht ein Team von Wissenschaftlern der Universität Hildesheim um Prof. Dr. Marianne Kneuer anhand von Meinungsumfragen und der Analyse von Twitter-Diskursen. Das BMBF-geförderte Forschungsprojekt „Safe-19 – Solidarität in der Covid-19-Krise“ in Zusammenarbeit mit dem GESIS Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften läuft noch bis Dezember 2021. Nun liegen erste Ergebnisse vor:

„Krisen werden sowohl von Politiker*innen und von Vertreter*innen sozialer Institutionen als auch von den Bürgern in Bezug auf solidarisches Verhalten anders wahrgenommen als normale Alltagssituationen“, sagt die Hildesheimer Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Marianne Kneuer. Mit ihrem Forschungsteam hat sie im Projekt „Safe-19 – Solidarität in der Covid-19-Krise“ anhand von Meinungsumfragen sowie der Analyse von Twitter-Diskursen untersucht, wie Bürger*innen über Solidarität in dieser Krise denken und was sie antreibt, solidarisch oder nicht solidarisch zu sein.
Dabei gehen die Wissenschaftler*innen auch der Frage nach, wieviel Vertrauen die Bürgerinnen und Bürger der Politik sowie unterschiedlichen Institutionen und Personen im Umgang mit der Corona-Pandemie entgegenbringen.

„Das höchste Vertrauen wird der Gruppe der Wissenschaftler*innen und dem Robert-Koch-Institut entgegengebracht“, fasst Kneuer zusammen. „Sehr hoch ist auch das Vertrauen in staatliche Institutionen wie Kommunen, Gesundheitsämter, Bundestag und Bundesregierung. Das niedrigste Vertrauen genießen dagegen die Religionsgemeinschaften, was insofern erstaunlich ist, da man vermuten könnte, Menschen wenden sich in einer Bedrohungssituation den Kirchen eher zu.“

Mehr als zwei Drittel der Befragten gaben an, Solidarität sei zu Anfang und zum Befragungszeitpunkt Ende November ebenso wichtig gewesen. Eine „Solidaritätsmüdigkeit“ über die Dauer der Pandemie lässt sich für 2020 also nicht feststellen. Weitere Untersuchungen werden zeigen, ob sich dies in den ersten Monaten 2021 geändert hat. Solidarisches Verhalten war auch ein wichtiges Motiv beim Tragen der Maske. So geben 60 Prozent der Befragten an, dass sie mit dem Tragen der Maske andere schützen wollen und 55 Prozent, dass sie damit die Verbreitung des Virus verlangsamen können. Den Selbstschutz dagegen halten vergleichsweise weniger für sehr wichtig (43 Prozent). Das belegt, dass eine deutliche Mehrheit gemeinwohlorientiert denkt.

Mehrheit nimmt Einschränkungen mit Bereitschaft auf

Die überwiegende Mehrheit der Befragten zeigt zudem eine große Bereitschaft, Einschränkungen hinzunehmen, wenn diese der Eindämmung der Corona-Pandemie dienen. Dies bezieht sich auf die Einschränkung persönlicher und politischer Freiheiten wie Reisen, persönliche Kontakte oder beschränkte Teilnehmerzahlen bei Demonstrationen ebenso wie auf die Tatsache, dass Steuermittel für Corona-Hilfen genutzt werden oder zur Ankurbelung der Konjunktur. „Dass sich das in der öffentlichen Wahrnehmung nicht unbedingt widerspiegelt, hat damit zu tun, dass diejenigen, die die Maßnahmen unterstützen, schlichtweg weniger sichtbar sind und weniger mediale Aufmerksamkeit bekommen, als die sehr viel kleinere Gruppe derjenigen, die sich den Maßnahmen verweigern, bewusst keine Masken tragen oder sich als Corona-Leugner*innen oder Querdenker*innen bei Demonstrationen zeigen“, erläutert Kneuer.