Mit „patchCROP“ für mehr Biodiversität und weniger Pestizide

Kleine Feldgrößen und Pflanzenvielfalt sollen für mehr Biodiversität und stabile Erträge sorgen. Im Landschaftslabor „patchCROP“ des ZALF in Brandenburg wird gemeinsam mit einem Praxisbetrieb an einem nachhaltigen Anbausystem geforscht. Hendrik Schneider / ZALF

Im Landschaftslabor „patchCROP“ des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e. V. startet ein in Europa bisher einmaliger Versuch in seine zweite Saison. Gemeinsam mit einem landwirtschaftlichen Betrieb erprobt ein Forschungsteam in den nächsten 10 Jahren ein innovatives Anbausystem, das auf große Pflanzenvielfalt auf kleiner Fläche, Digitalisierung und neue Technologien wie Robotik setzt. Damit sollen zukünftig insbesondere chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel und Dünger eingespart werden. Mit dem Versuch wollen die Forschenden beweisen, dass eine Steigerung von Bodenfruchtbarkeit, Erträgen und Biodiversität bei gleichzeitig sinkendem Ressourceneinsatz möglich sind. Das Landschaftslabor ist damit wegweisend für eine nachhaltige Landwirtschaft der Zukunft.

Es klingt ganz einfach: Fruchtarten dort anbauen, wo sie im Boden die besten Wachstumsbedingungen finden. So lässt sich der Forschungsansatz des neuen Landschaftslabores „patchCROP“ zusammenfassen. Die Besonderheit: Statt im Labor oder auf kleinen Versuchsfeldern finden die Forschungsarbeiten unter Realbedingungen auf den landwirtschaftlichen Flächen des Partneragrarbetriebes, der Komturei Lietzen in Ostbrandenburg, statt. Neben dem ZALF und dem Praxispartner sind das Julius-Kühn-Institut (JKI), das Exzellenzcluster „PhenoRob“, vertreten durch die Universität Bonn, und das vom BMBF geförderte Projekt „Digitales Wissens- und Informationssystem für die Landwirtschaft“ (DAKIS) an dem Projekt beteiligt. Auch Technologie-Startups aus der Agrarrobotikbranche sind eingebunden.

@ZALF

„Mit patchCROP haben wir eine innovative Plattform für einen integrierten Forschungsansatz zur Entwicklung von nachhaltigen Agrarlandschaften der Zukunft geschaffen“, erklärt Prof. Ewert, Wissenschaftlicher Direktor des ZALF und Professor für Pflanzenbau an der Universität Bonn. „Mit dem Landschaftslabor spannen wir den Bogen von der Grundlagenforschung zur praktischen Umsetzung. Alle Versuche finden unter Realbedingungen im Landschaftskontext statt. Dieser Systemansatz ist zentral für die Lösung vieler Herausforderungen, die uns in der Landwirtschaft aktuell begegnen.“

Ein Mosaik auf dem Feld

Für den Versuchsaufbau wurde eine insgesamt 70 Hektar große Fläche in 30 kleine, nur einen halben Hektar große Quadrate, sogenannte Patches, unterteilt. Dr. Kathrin Grahmann, wissenschaftliche Koordinatorin des Versuches am ZALF, erklärt: „In Abhängigkeit von den Bodeneigenschaften werden in jedem der Quadrate unterschiedliche Fruchtarten angebaut. So entsteht ein vielfältiges Mosaik aus Ackerkulturen wie Roggen, Sonnenblumen oder Lupinen. Bunt gemischte Blühstreifen und Zwischenfrüchte ergänzen diese Vielfalt.“ Insgesamt neun Fruchtarten werden gleichzeitig angebaut.

Neben den positiven Effekten auf die Umwelt soll der kleinteilige, standortangepasste Anbau das System auch widerstandsfähiger gegen Wetterextreme machen. „Durch die Diversifizierung im Anbau senkt ein landwirtschaftlicher Betrieb das Risiko, bei Extremwetterereignissen Teile seiner Ernte zu verlieren, denn die Fruchtarten reagieren unterschiedlich stark auf diese Ereignisse“, ergänzt Grahmann.

Felix Gerlach (li.) ist Geschäftsführer der Komturei Lietzen, dem Partnerbetrieb des Landschaftslabors „patchCROP“. Die Wissenschaftlerin Dr. Kathrin Grahmann (re.) koordiniert das Projekt am ZALF. Kristina Backhaus / ZALF

Um die Bodengesundheit langfristig zu verbessern, wurde die Fruchtfolge, also die Abfolge der angebauten Pflanzen auf dem Feld, durch Fruchtarten erweitert, die den Humus- und Stickstoffaufbau im Boden fördern. Sämtliche Erntereste werden auf dem Feld belassen und nur leicht und ohne Pflug eingearbeitet. Das sorgt für eine Anreicherung von Humus im Oberboden. Über den Anbau von Blühstreifen als Rückzugsort für Insekten zwischen den Quadraten versprechen sich die Forschenden eine Verbesserung der Biodiversität und der Bestäubungsleistung. Auch beim Pflanzenschutz sollen Nützlinge, die in den neu geschaffenen Rückzugsräumen einen Lebensraum finden, Abhilfe schaffen.

Mit neuen Technologien zu den Anbausystemen der Zukunft

Unterstützt durch digitale Messtechnik, 190 Bodensensoren und Beobachtung der Feldabschnitte mit Drohnen und einem eigenen Vögel- und Insekten-Monitoring sowie einem intensiven Monitoring der Schadorgansimen werden die Auswirkungen des Versuchs analysiert. Für die Bewirtschaftung der kleinen Quadrate sollen zukünftig Roboter zum Einsatz kommen.

Die Wissenschaftler interessiert hierzu nicht zuletzt die Frage, ob diese Art von Anbausystem, unter Nutzung neuer digitaler Technologien, wirtschaftlich sein kann, also perspektivisch auch die benötigten Erträge liefert, um die hohen Investitionskosten zu decken. Sie untersuchen auch, welcher Beitrag das Anbausystem für Umwelt, Natur und Artenvielfalt leistet wird und wie dieser honoriert werden sollte. Daher ist der Vernetzungsaspekt im Projekt sehr groß. Das Projektteam baut Kooperationen mit Technologieunternehmen und Start-Ups aus dem Agrarrobotikbereich auf. Gemeinsam mit dem beteiligten Praxisbetrieb sollen auf der Versuchsfläche bedarfsgerechte Roboter sowie dazugehörige Software erprobt und unter Realbedingungen getestet werden.

Chemisch-synthetischen Pflanzenschutz reduzieren

Um die positive Wirkung des kleinflächigen und diversifizierten Anbaus in artenreichen Fruchtfolgen abschätzen zu können, überwachen Sachverständige des Institutes für Strategien und Folgenabschätzung des JKI regelmäßig das Auftreten von Schadorganismen in den Kulturarten. Gleichzeitig wird untersucht, wie durch die kleinräumige Fruchtartendiversifizierung Synergien entstehen, welche die Widerstandskraft der Kulturen erhöhen. „Wir erhoffen uns aus diesem Experiment Erkenntnisse, wie die Stärkung agrarökologischer Faktoren zur Ertragsstabilisierung beitragen und zusätzliche Reduktionspotentiale im integrierten Pflanzenschutz erschließen kann“, erläutert Silke Dachbrodt-Saaydeh, Expertin für Pflanzenschutz vom JKI.

High-Tech auf dem Acker

Hierbei werden die Forschenden bereits von digitalen Tools unterstützt, die etwa den Bedarf für Pflanzenschutz oder Düngung für jeden Standort auf dem Feld überwachen. Bodensensoren messen zudem kontinuierlich die Bodenfeuchte und -temperatur. Das Team testet aber auch neue Prototypen digitaler Agrartechnik: Mit elektronischen Insektenfallen wird das Aufkommen von Schädlingen und Nützlingen gemessen und per App ausgewertet. Drohnenaufnahmen helfen bereits heute dabei, die gesamte Fläche regelmäßig zu beobachten. Zukünftig sollen weitere, kleine autonome Einheiten die Einsaat durchführen, automatisch Unkraut beseitigen und den Nährstoffhaushalt einzelner Pflanzen überprüfen.

Gemeinsam mit Experten des Exzellenzclusters „PhenoRob“ und des Projektes „DAKIS“ soll ein Konzept für eine ganzheitliche, digitale Lösung zur Bewirtschaftung entwickelt, erprobt und umgesetzt werden. Perspektivisch fließen dann alle relevanten Informationen und Handlungsempfehlungen auf einem „Agrar-Dashboard“ zusammen, das dem landwirtschaftlichen Betrieb dann in seiner Arbeit als Entscheidungsunterstützung zur Seite steht. Dr. Ixchel Hernandez-Ochoa, Exzellenzcluster „PhenoRob“, erklärt: „Mit den Daten aus ‚patchCROP‘ simulieren wir, wie sich vielfältiger Anbau und unterschiedliche Feldgrößen hochgerechnet auf lange Zeit auf den Boden, die Erträge und das gesamte Ökosystem auswirken.“

Auch das Projekt „DAKIS“, eines der aktuell größten Forschungsprojekte zur Entwicklung einer digitalen, wissensbasierten Land(wirt)schaft der Zukunft in Europa, greift auf Daten aus dem Experiment ‚patchCROP‘ zurück. Die Koordinatorin von „DAKIS“, Prof. Sonoko Bellingrath-Kimura, erläutert: „Ziel von ‚DAKIS‘ ist es, ein Softwaresystem zu entwickeln, dass Landwirtinnen und Landwirte bei alltäglichen Entscheidungen digital unterstützt.

Dieses Entscheidungsunterstützungssystem informiert über standortspezifische Anforderungen an Ökosystemleistungen, Biodiversität und Ressourceneffizienz. So können die Leistungen, welche die Landwirtschaft zusätzlich zur Produktion bieten kann, wie sauberes Trinkwasser, die Bestäubungsleistung von Insekten oder touristische Attraktivität erfasst werden. Dies ist die Grundlage dafür, dass wir Landwirtinnen und Landwirte perspektivisch hierfür auch angemessen honorieren können.“

Der Praxispartner von „patchCROP“, die Komturei Lietzen, ist ein landwirtschaftlicher Marktfruchtbetrieb in Brandenburg. Der Versuch wird als Landschaftslabor innerhalb des laufenden Betriebs auf den Flächen der Komturei durchgeführt. Felix Gerlach, Geschäftsführer der Komturei Lietzen, sieht in dieser Kooperation Chancen: „Im Landschaftslabor ‚patchCROP‘ können wir die Forschung an nachhaltigen Anbausystemen mit unserer Erfahrung unterstützen und die Ergebnisse direkt in die Praxis integrieren.“

Im ersten Bewirtschaftungsjahr 2020 wurde mit umfangreichen Mess- und Bewirtschaftungsplänen zunächst die Grundlage für das Experiment geschaffen. Neben der Messung von Bodeneigenschaften wird fortlaufend überwacht, welche Arten von Wildpflanzen, Vögeln, Insekten und Bodenlebewesen auf dem Feld und in Blühstreifen vorkommen. Auf dieser Grundlage können die Forschenden in den nächsten Jahren feststellen, ob sich die Vielfalt auf dem Feld wie erwartet positiv auf den Boden, Artenvielfalt sowie Erträge auswirkt. Das „Landwirtschaftsmosaik“ geht nun in seine zweite Saison.