Erkenntnisse zu den Grünalgen

Zwei oder mehr Zellen der Grünalge Chlamydomonas reinhardtii lagern sich unter Einfluss von Marginolaktonen zu sogenannten Gloeokapsoiden zusammen, die von einer gemeinsamen Außenhülle umgeben sind. Mario Krespach Leibniz-HKI

Im Boden leben auf engstem Raum zahllose unterschiedliche Mikroorganismen wie Bakterien und Pilze, aber auch einzellige Algen miteinander. Dabei geht es nicht immer friedlich zu – die Mikroben befinden sich in harter Konkurrenz um Lebensraum und Nahrung. Das Zusammenleben dieser winzigen Organismen wird dabei über sogenannte Naturstoffe, kleine Moleküle, die von Bakterien oder Pilzen produziert werden, reguliert.

Dass diese chemischen Verbindungen eine wichtige Rolle bei der mikrobiellen Kommunikation spielen, ist lange bekannt. Häufig dienen sie dazu, andere Mikroben anzulocken, zu vertreiben oder gar abzutöten. Ihre Bedeutung für die Evolution von Pflanzen und Tieren war bislang jedoch wenig erforscht.

Am Beispiel der einzelligen Grünalge Chlamydomonas reinhardtii gelang nun eine wichtige Entdeckung: Das Team um Axel Brakhage, Direktor des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie (Leibniz-HKI) und Professor an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, fand heraus, dass bestimmte von Bakterien produzierte Naturstoffe die Grünalge dazu bringen, sich zu mehrzelligen Strukturen zusammenzuschließen.

Die als Marginolaktone bezeichneten Stoffe sind schädlich für die Grünalgen und töten diese normalerweise ab. Als die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jedoch die Algen unter dem Mikroskop betrachteten, die einer nicht tödlichen Konzentration der Marginolaktone ausgesetzt waren, entdeckten sie neuartige Strukturen aus mehreren Algenzellen, die sie als „Gloeokapsoide“ bezeichneten.

In den Gloeokapsoiden befinden sich mehrere Algenzellen, die von einer dicken Schicht aus Polysacchariden umgeben sind. Diese schützt die Grünalgen vor tödlichen Konzentrationen an Marginolaktonen. Sinkt die Marginolakton-Konzentration, löst sich der Verbund wieder auf und die Grünalge setzt ihr Dasein als Einzeller fort. Die Forschenden vermuten, dass es sich bei dem Zusammenschluss von Zellen zu Gloeokapsoiden um eine frühe Stufe der Mehrzelligkeit handelt.

„Es gibt viele Bodenbakterien, die Marginolaktone oder ähnliche Naturstoffe produzieren und so mit anderen Mikroorganismen kommunizieren, in diesem Fall Grünalgen. Besonders spannend war für uns, dass wir die ökologische Funktion dieser ungewöhnlichen Moleküle, die wir als Naturstoffe bezeichnen, direkt zeigen konnten“, ordnet Mario Krespach, Erstautor der Studie, die Ergebnisse ein. „Marginolaktone könnten die Entstehung der Vielzelligkeit in der Evolution vorangetrieben haben.“

Die Untersuchungen wurden durch zwei von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Allianzen möglich: Der Sonderforschungsbereich „ChemBioSys“ erkundet neue Naturstoffe und deren Funktion in der artübergreifenden Kommunikation. Er ist eine tragende Säule des Jenaer Exzellenzclusters „Balance of the Microverse“, in dem die Forscherinnen und Forscher grundlegende Prinzipien der Regulation von komplexen mikrobiellen Lebensgemeinschaften aufklären und anwenden wollen.