Städte können zum Erhalt der Insektenvielfalt beitragen

Foto: Die Linde

Während das Insektensterben in Wald, Feldern und Naturschutzgebieten voranschreitet, stellen Städte zunehmend geeignete Habitate für Insekten dar. Für den Erhalt ihrer Vielfalt ist deshalb auch die Stadtgesellschaft gefragt, denn ihr Verhalten hat Einfluss auf die Biodiversität von Libellen, Hummeln und Artverwandten. Am Beispiel der Mainmetropole untersuchen Frankfurter Forschungs- und Praxispartner unter der Leitung des ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung erstmals den Zusammenhang zwischen städtischen Lebensstilen, Alltagspraktiken und Insektendiversität.

Die Urbanisierung ist – neben vielen anderen Treibern – mitverantwortlich für den weltweiten Verlust der Artenvielfalt. Und doch liegt in den Städten auch ein großes Potenzial, um Biodiversität zu erhalten. Insekten können hier eine Vielfalt an geeigneten Habiten und Futterangeboten in Gärten, Parks, auf Grünstreifen und Balkonen finden. Mit Blick auf die unterschiedlichen Bedürfnisse, die Bürger*innen mit städtischem Grün verbinden, stellt sich die Frage, wie eine sogenannte Inwertsetzung von Biodiversität gelingen kann. Das heißt: Wie kann eine bessere Wahrnehmung für den Wert der Natur gefördert werden, die zu einem bewussten, umwelt- bzw. insektenfreundlichen Handeln im Alltag führt?

Um diese Frage zu beantworten, haben sich Frankfurter Institutionen mit ausgewiesener Biodiversitäts-Expertise in einem Forschungsverbund zusammengefunden. Unter der Leitung des ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung untersuchen die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung (SGN), das Senckenberg Museum, die Goethe-Universität Frankfurt und der NABU Frankfurt in Kooperation mit dem Palmengarten der Stadt Frankfurt sowie mit BioFrankfurt, dem Grünflächenamt und dem Umweltamt der Stadt Frankfurt neue Konzepte, um gemeinsam mit der Stadtbevölkerung einen Beitrag zum Erhalt der Insektenvielfalt zu leisten.

Gesellschaftliche Dimension von Biodiversität verstehen

Bis 2024 wird sich der Forschungsverbund im Projekt „SLInBio: Städtische Lebensstile und die Inwertsetzung von Biodiversität: Libellen, Heuschrecken, Hummeln & Co“ unterschiedlichen Bereichen des städtischen Lebens widmen. Ziel ist es, besser zu verstehen, wie zum Beispiel die Nutzung von Parks und Grünflächen mit Insektendiversität in der Stadt zusammenhängt. Welche Rolle spielt etwa die Erholung im Grünen? Hat die Art der Freizeitgestaltung der Bürger*innen, ihre Ernährung, ihre Wahl der Verkehrsmittel oder ihre Wohnform einen Einfluss auf das Vorkommen von Insekten in der Stadt? Inwieweit beeinflusst ihr Lebensstil ihr Handeln mit Blick auf einen wirksamen Insektenschutz?

„Eine Besonderheit in unserem Vorhaben liegt sicherlich darin, dass wir erstmals Biodiversität von der Gesellschaft her denken und untersuchen,“ sagt SLInBio-Projektleiterin Marion Mehring, die am ISOE den Forschungsschwerpunkt Biodiversität und Bevölkerung leitet. „Dazu führen wir sozial-empirische Methoden mit Insektenmonitoring und ökotoxikologischen Untersuchungen zusammen und erproben zudem partizipative Formate, die für die Stadtbevölkerung neue Erfahrungsräume rund um das Thema Biodiversität und Insektenschutz eröffnen,“ sagt die Geoökologin.

Vom Wissen zum Handeln: Neue Formate für Umweltbildung

Warum sind Erfahrungen und Einstellungen der Stadtbevölkerung in dem Forschungsprojekt so wichtig? „Wir wissen, nicht alle Menschen mögen Insekten, und nicht alle Insektenarten sind gleichermaßen beliebt,“ sagt Mehring, „Aber Städte können nur dann Lebensraum für verschiedene Insektenarten sein, wenn Bürgern deren Bedeutung für die städtischen Ökosysteme erkennen und wertschätzen.“

Mehring betont, dass dafür nicht allein mehr Information über Biodiversität notwendig sei, sondern persönliche Erfahrungen, die aktivierend wirken und Einstellungen verändern können. Menschen müssten konkrete Gelegenheiten bekommen, damit Interesse und Motivation für den Insektenschutz entstehen kann. „Vorhandenes Wissen alleine erzeugt meist noch kein Engagement,“ sagt Mehring.

Deshalb werden im Zuge des Forschungsprojektes neue Umweltbildungsformate und künstlerische Interventionen durch das Senckenberg Museum, den NABU, das ISOE und den Frankfurter Palmengarten angeboten. Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung untersucht im Projekt die Insektendiversität auf den entsprechenden Grünflächen. Dem Einfluss von Pestiziden auf die Insektenvielfalt in den städtischen Versuchsräumen widmet sich der Fachbereich Biowissenschaften der Goethe-Universität.

Das ISOE beschäftigt sich mit Fragen der Lebensstile und der Wahrnehmung sowie mit den Einstellungen in der Bevölkerung zu Insekten und entwickelt Diskurs- und Beteiligungsformte für die Stadtbevölkerung. Das ISOE ist zudem für die transdisziplinäre Begleitung und Evaluierung des Projekts verantwortlich. Eine große Rolle wird im Forschungsprojekt auch die in der Vorphase bereits entstandene Citizen Science Community in Frankfurt spielen.