Bei der Bekämpfung von Waldbränden, aber auch bei der Überwachung von Baustellen oder für Multimediadienste bei Sport- und anderen Massenveranstaltungen wird oftmals lokal und zeitlich begrenzt ein zuverlässiges, sicheres 5G-Campusnetz benötigt, das für eine optimale Netzabdeckung auf dem gesamten Gelände sorgt. Mit dem 5G+ Nomadic Node des Fraunhofer-Instituts für Offene Kommunikationssysteme FOKUS lässt sich ein solches nicht-öffentliches, temporäres Netz kurzfristig aufbauen, um z. B. Einsatzkräfte miteinander zu vernetzen oder Löschroboter fernzusteuern. Die komplette Hard- und Software passt in wenige mobile Server-Koffer.
Waldbrände richten nicht nur in südlichen Ländern katastrophale Schäden an, auch Deutschland ist betroffen: Ein Drittel aller Waldbrände hierzulande ereignet sich in Brandenburg. Das Bundesland mit seinen ausgedehnten Kiefernwäldern, geringem Niederschlag und leichten Sandböden weist bundesweit die höchste Waldbrandgefährdung auf. Jährlich brennt es dort mehrere hundert Mal.
Polizei und Feuerwehr müssen bei der Bekämpfung der Feuer die Aufklärung, Überwachung, Absicherung und Lageerfassung einer Fläche von jeweils mehreren Quadratkilometern bewerkstelligen. Hier setzt das Projekt ALADIN (Advanced Low Altitude Data Information System) an, das vom Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur BMVI gefördert wird: Durch den Aufbau eines mobilen 5G-Campusnetzes soll eine bedarfsgerechte 5G-Vernetzung von Einsatzkräften und -mitteln ermöglicht werden. Ziel ist es, bei Einsätzen in nicht zugänglichen Gebieten ein Echtzeitlagebild der Brandsituation mithilfe von Drohnen zu erhalten, Löschfahrzeuge zu steuern und die Einsatzkräfte miteinander zu vernetzen. Dies gelingt mithilfe des 5G+ Nomadic Node des Fraunhofer FOKUS.
Im Nomadic Node kommt mit dem Standard-basierten Open5GCore des Fraunhofer FOKUS ein Software-basiertes Kernnetz zum Einsatz, in dem die Steuerprogramme für die Kommunikation laufen. Der Open5GCore ermöglicht es, ein 5G-Netz im »Stand-Alone« (SA)-Betrieb sehr schnell aufzusetzen und verfügbar zu machen. Dabei steht den Nutzerinnen und Nutzern der volle Funktionsumfang des Mobilfunkstandards zur Verfügung.
Dies geht über die verbreiteten Non-Stand-Alone-Lösungen hinaus, die lediglich 5G-Basisstationen mit 4G-Kernnetzen kombinieren. Der Open5GCore ist mit 5G-Basisstationen unterschiedlicher Hersteller interoperabel und seit vielen Jahren das Versuchskernnetz für Mobilfunkbetreiber und -hersteller in aller Welt, um neue Funktionen für zukünftige Mobilfunksysteme zu testen und innovative Use Cases zu validieren. Aufgrund seiner Modularität eignet sich der Open5GCore ebenso für diverse Debugging-, Integrations- und Abnahmetests. Darüber hinaus erlaubt das modulare, virtualisierte Kernnetz eine flexible Kombination von Netzfunktionen für optimierte Anwendungsunterstützung auf Edge Clouds.
»Private 5G-Netze in Kombination mit Edge Computing ermöglichen sichere, echtzeitnahe Kommunikationsnetze sowohl im industriellen Umfeld wie in Fabrikhallen als auch in Gebieten ohne jegliche Kommunikationsinfrastruktur, in die man mit unserem Nomadic Node-Setting eine kompakte Variante einer Edge Cloud bringen kann«, sagt Marc Emmelmann, Projektleiter ALADIN am Fraunhofer FOKUS.
Individuelles 5G-Netz in wenigen Minuten
Das gesamte 5G Nomadic Node-Setting besteht aus wenigen robusten, transportablen Server-Koffern für die notwendige Hard- und Software, um ein »nomadisches«, abgesichertes 5G-Campusnetz in wenigen Minuten aufzuspannen. »In Brandenburgs Waldgebieten existiert keine hinreichende Kommunikationsinfrastruktur, um unbemannte Löschroboter zu steuern oder Drohnen-Videos zur Einsatzzentrale zu schicken. Feuerwehrpersonal kann die Wälder aus Sicherheitsgründen nicht betreten, da viele Flächen noch mit Munition sowie mit Bomben- und Granatblindgängern aus dem zweiten Weltkrieg kontaminiert sind. Mit unserem Kernnetz, dem Open5GCore, können wir hier Abhilfe schaffen und ein geografisch begrenztes, flexibles und passgenaues 5G-Netz aufbauen«, sagt Emmelmann.
Feldversuch auf dem Flugplatz Schönhagen in Brandenburg
Der 5G+ Nomadic Node umfasst einen Server, auf dem der Open5GCore läuft, sowie eine Base Band Unit mit Funkkabel. Die Basisbandeinheit ist mit dem Kernnetz verbunden und verarbeitet die auszustrahlenden und zu empfangenen Daten digital. Ein zusätzlicher Server-Koffer enthält je nach Bedarf eine Batterie für die unterbrechungsfreie Stromversorgung oder einen Dieselgenerator. Darüber hinaus gehört optional ein Antennensystem mit Satellitenanbindung zur Ausstattung.
»Eine Satellitenanbindung benötigen wir im ALADIN-Projekt etwa, um auf Wunsch eine Anbindung an das Lage- und Kommandozentrum der Feuerwehr zu realisieren. Unsere nomadische Zelle kann – je nach Anwendungsfall – auch über das Hausstromnetz versorgt werden«, so Emmelmann. Bereits im zweiten Quartal dieses Jahres startet ein Feldversuch auf dem Flugplatz Schönhagen in Brandenburg. Dabei wird das für Campusnetze reservierte 3,7 GHz-Spektrum genutzt. Geplant ist die Abdeckung etwa eines Quadratkilometers.
Bereits im Herbst 2019 konnte das Forscherteam rund um Marc Emmelmann mit Partnern in einem Feldversuch zeigen, dass es kurzfristig machbar ist, ein 5G-Netz vor Ort für den lokalen Einsatz aufzusetzen. Eine 180-Grad-Kamera nahm die Licht-Kunstwerke des Festivals of Lights in Berlin auf. Über das temporäre Netz konnten Testpersonen das Video dann auf ihrem Smartphone empfangen.
Campusnetze als Innovationstreiber für neue Technologien
Im nächsten Schritt planen die Forscher, den Nomadic Node um Open-RAN (Radio Access Network)-Technologien zu erweitern. Im Lauf des Jahres wird er dann im Rahmen von CampusOS, einem Leitprojekt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, auch auf mobilen Baustellen eingesetzt. »Mit dem 5G+ Nomadic Node können wir Campusnetze installieren, die sich an temporäre Bedarfe anpassen lassen. Diese Flexibilität gelingt durch Netzvirtualisierung: Wie in einem Baukasten können neue Funkkomponenten und Softwarefunktionen frühzeitig eingebunden werden. Campusnetze sind damit Innovationstreiber für neue Technologien«, resümiert der Ingenieur.