Auch aufgelassen und ungenützt schlägt die Bahn die Straße ökologisch deutlich. Das zeigt eine in „Agriculture, Ecosystems and Environment“ veröffentlichte polnisch-österreichische Studie unter Leitung der Vetmeduni, die aufgelassene Bahnstrecken hinsichtlich ihrer Qualität als Habitat für Vögel untersuchte. Vögel finden hier einen attraktiven Lebensraum vor, der vielfältige Möglichkeiten bietet und eine beachtliche Biodiversität aufweist. Von großer Relevanz ist dieser Lebensraum vor allem dort, wo Vögel aufgrund intensiver Landwirtschaft aus ihren angestammten Habitaten vertrieben werden.
In ihrer Studie verglichen die beiden Wissenschaftler drei verschiedene Lebensraumtypen – ungenutzte Eisenbahnstrecken, unbefestigte Straßenränder und Felder in Bezug auf den Vogelreichtum und die Artenvielfalt. Im Rahmen ihres ganzjährigen Untersuchungszeitraum erfassten die Wissenschafter 9678 Individuen von 99 Vogelarten. An aufgelassenen Eisenbahnstrecken wurden 4614 Vögel aus 80 unterschiedlichen Arten gezählt, entlang von unbefestigten Straßen in Ackerbaugebieten waren es immerhin noch 3124 Individuen von 73 Arten, während auf Feldern nur 1940 Vögel aus 60 Arten gefunden wurden.
Potenzielles Instrument im Kampf gegen Biodiversitätsverlust
Die Studienergebnisse sind vor allem deshalb von Relevanz, da die fortschreitende Intensivierung der Landwirtschaft zu einer Verringerung natürlicher und naturnaher Lebensräume führt, was in einem Verlust an Biodiversität resultiert.
Dazu Łukasz Dylewski, Department für Zoologie der Poznań University of Life Science in Polen und Marcin Tobolka vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Vetmeduni: „Auf Ackerland werden natürliche Lebensräume wie Ackerränder, Hecken und Wiesen zunehmend verkleinert oder verändert. Aufgrund starker regionaler Unterschiede sind deshalb an die örtlichen Gegebenheiten angepasste Systeme erforderlich, die die landwirtschaftliche Produktion und den Erhalt der Biodiversität in Einklang bringen.“
Laut den Studienautoren stellen aufgelassene Bahnstrecken ein potenzielles Instrument dar, das den Biodiversitätsverlust in landwirtschaftlichen Ökosystemen mindern und den Vogelschutz in intensiv bewirtschafteten Agrarlandschaften fördern kann. „Vegetationsstrukturen entlang ungenutzter Bahnstrecken können zu jeder Jahreszeit als alternative Rückzugsgebiete für Vögel fungieren, Nahrungsquellen, Nist-, Unterschlupf-, Sitz-, Sing- und Rastplätze bieten sowie eine Art ökologischen Korridor innerhalb einer intensiv genutzten Agrarlandschaft darstellen“, betont Tobolka.
Hohes Potenzial als alternative Lebensräume
Da solche Strukturen ein hohes Potenzial als alternative Lebensräume besitzen und für den Naturschutz von Vorteil sind, sollten diese im Rahmen von Landschaftsplanungsprogrammen berücksichtigt werden. Ungenutzte Eisenbahnstrecken können als eines von mehreren Instrumenten zur Minderung des Verlusts der biologischen Vielfalt auf landwirtschaftlichen Flächen eingesetzt werden, was laut den Studienautoren auch eines der Ziele der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union ist.