Landwirtschaft, Habitatverlust oder Abwässer – menschgemachte Stressoren wirken sich negativ auf die biologische Vielfalt in Bächen und Flüssen aus. In welchem Maße dabei auch ihr Vermögen zur Selbstreinigung und andere wichtige Ökosystemleistungen in Mitleidenschaft gezogen werden, darüber weiß man noch sehr wenig. Mit einer kürzlich im Fachjournal Global Change Biology veröffentlichten Metastudie hat ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) den weltweiten Stand der Forschung dazu erfasst – und gibt damit neue Impulse für ein verbessertes Gewässermanagement.
Fließgewässer sind die Lebensadern unserer Erde, Hotspots der Biodiversität und für den Menschen unverzichtbare Lebensgrundlage: Sie stellen Trinkwasser bereit, dienen dem Hochwasserschutz und werden zur Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen genutzt. Doch der Mensch nimmt Einfluss auf Gewässersysteme und deren ökologische Funktionen – unter anderem durch Veränderung der natürlichen Gewässerstruktur, Landwirtschaft oder Einleitung von Abwässern.
„Das alles geht natürlich nicht spurlos an den Fließgewässern vorüber“, sagt Dr. Mario Brauns, Wissenschaftler am UFZ-Department Fließgewässerökologie. „Die allermeisten Studien dazu befassen sich mit den Auswirkungen auf die Biodiversität – was aus unserer Sicht aber nur einen Teil des Problems erfasst. Denn ein Verlust der biologischen Vielfalt kann zwar anzeigen, dass etwas nicht stimmt in einem Gewässer, doch ob und inwieweit seine ökologischen Funktionen in Mitleidenschaft gezogen sind, bleibt unbeantwortet.“
Eine der wichtigsten Ökosystemleistungen von Fließgewässern ist ihre natürliche Reinigungsleistung. Sie kann über verschiedene ökologische Funktionen wie etwa die Nährstoffaufnahme oder die Zersetzung von Laub bewertet werden. Doch wie genau wirken sich menschliche Stressoren auf diese ökologischen Funktionen aus, die für die natürliche Selbstreinigungskraft eines Fließgewässers essenziell sind?
„Für unsere Metastudie haben wir gemeinsam mit internationalen Kolleg:innen den aktuellen Stand der Forschung zu dieser Frage zusammentragen“, sagt Brauns. Das Forschungsteam wertete die Fachliteratur nach Studien aus, in denen die Auswirkungen menschlicher Stressoren auf die ökologischen Funktionen von Fließgewässern untersucht wurden. „Wir haben sämtliche weltweit verfügbaren Forschungsarbeiten recherchiert und fanden insgesamt 125 Studien – was im globalen Maßstab wirklich eine sehr geringe Ausbeute ist“, sagt Brauns. „Das hat noch einmal verdeutlicht, wie wenig hierzu bislang geforscht wurde. Und: Die gefundenen Studien wurden vor allem in Europa, Nordamerika oder Kanada durchgeführt. Über die Regionen Asien oder Afrika ist bislang fast nichts bekannt. Hier besteht aus unserer Sicht höchster Forschungs- und Handlungsbedarf.“
Die Auswertung der Studiendaten ergab, dass die Effizienz, mit der Fließgewässer Nitrat zurückhalten können, in Bächen, die durch landwirtschaftlich genutzte Gebiete fließen, fast fünfmal geringer ist als in Bächen mit natürlicher Umgebung. „Das ist wirklich enorm“, sagt Brauns und erklärt: „Landwirtschaftlich geprägte Fließgewässer sind durch hohe Nährstoffkonzentrationen und eine geschädigte Gewässerstruktur so stark belastet, dass sie ihre natürliche ökologische Rückhaltefunktion nicht mehr ausreichend erfüllen können und dadurch einen Großteil ihrer Reinigungsleistung einbüßen.“ Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Studie ist die vergleichende Bewertung der Stressoren: Welcher Stressor hat über alle ökologischen Funktionen hinweg die stärksten Auswirkungen? Deutlich auf Platz eins liegt die Einleitung von Abwässern.
Auf dem unrühmlichen zweiten Platz die Landwirtschaft und auf Platz drei die Urbanisierung. „Das sind alles Bereiche, in denen wir dringend tätig werden müssen“, sagt Brauns. „Um die Gewässergefährdung besser abschätzen und passende Managementmaßnahmen einleiten zu können, sind die ökologischen Funktionen von Fließgewässern sehr gute und aussagekräftige Indikatoren. Das konnten wir mit unserer Metastudie zeigen. Wir hoffen, dass es in Zukunft vermehrt Studienansätze geben wird, die die ökologischen Funktionen von Fließgewässern in den Fokus nehmen. Und das am besten auf breiter Ebene weltweit – denn es besteht rund um den Globus dringender Handlungsbedarf.“