Der Meeresschutz muss internationaler werden

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Um den Ozean zu schützen, braucht es internationale Lösungen. Zwei Regelwerke, die zurzeit entstehen, bieten die Gelegenheit, Schutzmaßnahmen auszuweiten, sie müssen aber besser aufeinander abgestimmt werden. Wie das gelingen kann, beschreiben Forschende des Instituts für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS Potsdam) in einer neuen Publikation. Im Juli und August treffen sich die Staaten jeweils erneut, um die Verhandlungen fortzusetzen.

Der Ozean spielt eine Schlüsselrolle für den Erhalt des Lebens auf unserem Planeten. Die Meerespolitik setzt bislang jedoch vor allem Regulierungsrahmen, die auf einzelne Sektoren wie Fischerei, Bergbau oder Schifffahrt ausgerichtet sind. „Diese Regelungen sind zu fragmentiert, um den langfristigen Schutz der Meeresumwelt zu gewährleisten. Das ist vor allem in den Gebieten außerhalb der nationalen Gerichtsbarkeit bedenklich, wo der Druck auf die Ökosysteme durch intensivere Nutzung und den Klimawandel zunimmt“, sagt die Erstautorin der Studie, Sabine Christiansen.

Ökosystem-Ansatz sucht Ausgleich zwischen Schutz und menschlicher Nutzung

Fern der Küsten in Gebieten jenseits nationaler Zuständigkeit existieren zwei rechtlich unterschiedliche Regelungsbereiche: zum einen der internationale Meeresboden, das sogenannte „Gebiet“ mit seinen mineralischen Bodenschätzen, zum anderen die Wassersäule darüber, die Hohe See. Mit der Verwaltung der Bodenschätze im Gebiet ist die Internationale Meeresbodenbehörde beauftragt, die zurzeit ein Regelwerk für künftige kommerzielle Bergbautätigkeiten entwickelt. Bereits Ende Juli treffen sich die Mitgliedstaaten der Meeresbodenbehörde am Sitz der Organisation in Kingston, Jamaica, um die Verhandlungen hierfür fortzusetzen.

Gleichzeitig finden Verhandlungen über ein internationales Abkommen zum Schutz und Erhalt der Biodiversität in Meeresgebieten außerhalb nationaler Zuständigkeit (BBNJ-Abkommen) statt. Für Ende August ist die fünfte und vorerst letzte Verhandlungsrunde der Vereinten Nationen in New York geplant (IGC 5). Trotz starker Auswirkungen des möglichen Tiefseebergbaus für den Schutz der Tiefsee-Arten und Lebensräume laufen beide Verhandlungsprozesse bisher weitgehend getrennt voneinander ab. Die Autorinnen und Autoren zeigen Optionen für ein produktives Zusammenspiel zwischen diesen beiden Prozessen auf.

Regionale Umweltmanagementpläne erleichtern Entscheidungen

Als „Best Practice“ in der Governance des Ozeans gilt der Ökosystemansatz. Dieser steuert menschliche Aktivitäten mit dem Ziel, die Gesundheit räumlich definierter Ökosysteme zu erhalten oder wiederherzustellen. „Beim Management menschlicher Aktivitäten ist ein Wandel nötig: Wir brauchen einen umfassenden globalen Governance-Ansatz. Der Ökosystemansatz ist hierfür am vielversprechendsten, denn er bietet einerseits einen klaren Rahmen, ermöglicht andererseits aber auch maßgeschneiderte Lösungen für den spezifischen Kontext“, erläutert Christiansen.

Eine besondere Rolle für ein integriertes Meeresmanagement könnten regionale Umweltmanagementpläne spielen, wie sie von der Internationalen Meeresbodenbehörde zur Umsetzung ihrer Umweltschutzverpflichtungen vorgesehen werden. Diese Pläne sind potenziell in der Lage, in Regionen mit Bergbauinteressen eine fundierte Entscheidungsfindung über die Belastungsgrenzen der betroffenen Meeresregionen zu unterstützen. Zentral dabei ist die Abwägung von Wirtschafts- und Umweltinteressen im Hinblick auf die angestrebten langfristigen ökologischen Erhaltungsziele. Bisher nutzt die Meeresbodenbehörde dieses Potenzial jedoch nicht. Auch in dem aktuell zur Beratung vorliegenden Entwurf eines Regionalen Umweltmanagementplans für den „Mittelatlantischen Rückens“, ein Gebiet im zentralen Atlantik mit wichtigen Hydrothermalquellen, stehen die Interessen der Bergbauakteure vor dem Erhalt von Arten und Lebensräumen der Tiefsee.

Breite Beteiligung von Interessengruppen

Ein ambitioniertes BBNJ-Abkommen sollte die von der Meeresbodenbehörde formulierten Meeresschutzziele und Bewertungsstandards für Schäden jetzt verstärken und in der Umsetzung unterstützen, fordern die Autorinnen und Autoren. Eine konsequente Integration von sektoralen, regionalen und globalen Zielen, Standards und Maßnahmen wäre ein großer Schritt hin zu ökosystembasiertem Management. Tiefseebergbau könnte dann nur in dem Maß genehmigt werden, in dem die regionalen und globalen Umweltqualitätsziele und -standards nachweislich nicht beeinträchtigt werden. Der Ökosystemansatz sieht auch eine breite Partizipation von Interessengruppen, eine laufende Bewertung der Umweltauswirkungen des Tiefseebergbaus sowie ein umfassendes Risikomanagement im Einklang mit dem Vorsorgeprinzip vor.

Große Aufmerksamkeit haben der Tiefseebergbau und seine Auswirkungen auf die Meeresumwelt erst kürzlich auf dem G7-Gipfel in Elmau und auf der UN-Ozeankonferenz in Lissabon erhalten. Der von den G7-Staats- und Regierungschefs unter deutschem Vorsitz vereinbarte „Ocean-Deal“ beinhaltet die Verpflichtung zu einem weitreichenden Vorsorgeansatz im Tiefseebergbau, mit dem negative Umweltauswirkungen ausgeschlossen würden. Noch einen Schritt weiter gingen mehrere Staaten während der UN-Ozeankonferenz, darunter die Pazifikstaaten Palau und Fidschi sowie Chile, die ein Moratorium für den Tiefseebergbau forderten. Der französische Präsident Emmanuel Macron forderte gar einen rechtlichen Rahmen, um die weitere Entwicklung des Tiefseebergbaus zu stoppen.