Konflikte und Kompromisse bei Landnutzungskonzepten

In den untersuchten Gebieten ergaben schon geringe Anpassungen beim Verhältnis von Wald- und Wiesenflächen das für alle Beteiligten bestmögliche Landschaftsszenario – größere Veränderungen dagegen würden sich nachteilig auswirken. Foto: Peter Manning / Senckenberg

Ein internationales Forschungsteam um Dr. Margot Neyret vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum Frankfurt hat untersucht, wie ländliche Räume in Deutschland gestaltet werden könnten, dass alle Nutzer*innengruppen bestmöglich profitieren. Die interdisziplinär angelegte Studie in Kooperation mit dem Frankfurter ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung, die im renommierten Fachjournal „Nature Sustainability“ erschienen ist, wertet aus, wie hoch die Ökosystemleistungen verschiedener Landschaften sind und inwieweit sie den unterschiedlichen Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung entsprechen. Dabei zeigen die Forschenden, dass Konzepte, die auf eine umfassende Veränderung von Landschaft und -nutzung setzen, zu sozialen Konflikten führen würden. Als Formel fairer Landnutzung, von der alle Gruppen gleichermaßen profitieren, ermittelt die Studie eine ausgewogene Mischung aus Wald und Grünland.

In der Debatte um die Nutzung der knappen Ressource Land treffen regelmäßig die teils widerstreitenden Interessen von Agrar- und Forstwirtschaft, Tourismus und Naturschutzorganisationen aufeinander. Vorhandene Spannungen könnten noch zunehmen, da angesichts von Klima-, Biodiversitäts- und geopolitischen Krisen Forderungen nach einschneidenden Veränderungen in der Landnutzung laut werden.

Verschiedene Interessengruppen plädieren aktuell für unterschiedliche Lösungen: etwa für die Umwandlung weiterer Flächen in Naturschutzgebiete, wie es auf der UN-Biodiversitätskonferenz im kanadischen Montreal im Dezember beschlossen wurde, für eine umfassende Aufforstung zum Zweck der CO2-Speicherung oder für den Ausbau lokaler Nahrungsmittelproduktion. Wie aber könnten in Deutschland multifunktionale Lösungen für den ländlichen Raum aussehen, bei denen möglichst viele verschiedene Ökosystemleistungen optimal genutzt werden können und gleichzeitig ein fairer Ausgleich zwischen den Interessen lokaler Gruppen ermöglicht wird?

Die Grundlage für die Untersuchung bilden umfangreiche Daten, die im Rahmen des Projekts „Biodiversitäts-Exploratorien“ für Flächen auf der Schwäbischen Alb, der mitteldeutschen Hainich-Dün- Region und dem Brandenburgischen Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin erhoben wurden. „Im Rahmen der Studie haben wir insgesamt elf unterschiedliche Ökosystemleistungen in den Blick genommen, von Holz- oder Futterproduktion über Freizeitwert bis zu CO2-Speicherung“, erläutert Margot Neyret und weiter: „Wir haben eine Vielzahl von Szenarien modelliert und untersucht, wie sich eine gewissermaßen ideale Landschaft zusammensetzen müsste, in der alle Leistungen in hohem Maße erbracht werden können – und dabei keine Interessengruppe signifikant weniger profitiert als andere.“

„Die vielfältigen Ökosystemleistungen, die Landschaften bieten, werden von lokalen Gruppen ganz unterschiedlich bewertet“, erklärt Sophie Peter, wissenschaftliche Mitarbeiterin am ISOE und fährt fort:

„Das haben Workshops und Befragungen mit 14 unterschiedlichen Gruppen gezeigt. Darunter waren Personen aus den Bereichen Tourismus, Landwirtschaft und Naturschutzorganisationen sowie Anwohnern. Wir haben die erhobenen Nutzungsinteressen in das Modell einbezogen und gesehen, dass wir sie im historischen Kontext betrachten müssen: Unsere Kulturlandschaften in Deutschland waren lange nur auf die Nachfragebefriedigung der Land- und Forstwirtschaft ausgerichtet. Mit der Zeit sind immer mehr Interessengruppen hinzugekommen, wodurch sich die Komplexität der Ausgestaltung von Landnutzungskonzepten auf lokaler Ebene erhöht hat.“

Unter diesen Bedingungen stellt sich für die untersuchten Gebiete eine moderate Erhöhung von (Misch-)Waldflächen und eine Extensivierung von Grünland als „ideales“ Szenario heraus. Stärkere Veränderungen führten laut der Modellierung hingegen dazu, dass einzelne Interessengruppen unverhältnismäßig benachteiligt würden.

„Wir waren überrascht, dass die aktuelle Landschaft schon nahezu optimal ist, gemessen an den vielfältigen Funktionen, die sie für unterschiedliche Bedarfe erfüllen soll. Bereits geringfügige Anpassungen würden die bestmögliche Landschaft für alle Interessensgruppen ergeben“, berichtet Neyret und fährt fort: „Das lässt sich zum Teil damit erklären, dass in den untersuchten Regionen schon länger darauf geachtet wird, den Schutz der Artenvielfalt mit den Interessen der lokalen Wirtschaft in Einklang zu bringen.“

Peter ergänzt: „Mit unserer Studie geben wir Entscheidungsträger*innen ein wichtiges Tool für zukünftige und im besten Fall partizipative Landnutzungsplanungen an die Hand. Wir zeigen, wie wichtig es ist, die vielfältigen Interessen in der Gesellschaft einzubeziehen, um gemeinsam die Veränderungen hin zu einer nachhaltigen Landnutzung umzusetzen.“