Mit „guten“ Bakterien die „schlechten“ verdrängen und dadurch Antibiotika-Behandlungen vermeiden – eine solche innovative Therapie ist bei Milchdrüsenentzündung (Mastitis) an Kühen erfolgreich getestet worden. In einem von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) fachlich und finanziell mit rund 280.000 Euro geförderten Projekt hat die Hochschule Hannover einen Mix aus Milchsäurebakterien entwickelt, dessen Anwendung genauso heilsam ist wie eine übliche antibiotische Behandlung. „Mit dieser Alternative ließe sich zukünftig die Zahl notwendiger Antibiotika-Behandlungen reduzieren und die Gefahr verringern, dass Antibiotika in die Umwelt gelangen und sich dort Keime bilden, die auf diese Wirkstoffe nicht mehr anschlagen“, sagt DBU-Generalsekretär Alexander Bonde.
Noch sei zwar kein marktreifes Produkt erhältlich. Die Hochschule Hannover strebe aber mit den Projektpartnern der Freien Universität Berlin und der Dr.-Windmann-Pharma-Gesellschaft (Ihrhove) die Entwicklung eines Therapeutikums bis zur Marktreife an.
Antibiotika: Gesundheits- und Umweltrisiken sowie wirtschaftliche Verluste
„Die entzündliche Reaktion der Milchdrüse zählt zu den bedeutendsten Erkrankungen hochleistender Milchkühe in Deutschland“, erklärt Projektleiter Prof. Dr. Volker Krömker von der Hochschule Hannover, Abteilung Bioverfahrenstechnik. Ein erster Hinweis auf die Erkrankung könne sein, dass die Milch ausflockt. Euterentzündungen würden aufgrund des schnellen Handlungsbedarfs derzeit vorwiegend antibiotisch behandelt. „Milch von antibiotisch behandelten Kühen können die Betriebe nicht an Molkereien abliefern“, so Krömker. Der wirtschaftliche Verlust für die Milchviehbetriebe sei nicht zu unterschätzen. Zudem wirke das altbekannte Mittel Penicillin beispielsweise auf einen der häufigsten Mastitis-Erreger, Staphylococcus aureus, immer weniger. Der Grund: Es haben sich widerstandsfähige Keime gebildet, die gegen das Antibiotikum resistent sind.
DBU: Förderung innovativer Methoden zur Antibiotika-Verringerung
„Jeder Einsatz von Antibiotika trägt dazu bei, dass Organismen entstehen und sich vermehren, bei denen diese Antibiotika nicht mehr wirken“, gibt Dr. Hans-Christian Schaefer, DBU-Fachreferent Biotechnologie, zu bedenken. 2017 wurden nach Angaben des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in Deutschland 733 Tonnen Antibiotika an Tierärzte abgegeben, der Großteil davon werde in Nutztierställen eingesetzt. Insgesamt sei die Menge zwar gesunken – 2011 waren es noch 1.706 Tonnen –, aber ein erheblicher Teil dieser Antibiotika gelange weiterhin über Gülle und Mist in die Umwelt und fördere die Entwicklung resistenter Keime. Aufgrund der zunehmenden Gefahr, die von ihnen ausgehe, setze sich die DBU dafür ein, praxisnahe Methoden zu finden, die den Antibiotika-Einsatz in der Nutztierhaltung weiter verringern. Mit den vorliegenden Projektergebnissen sei es denkbar, häufig auf Antibiotika bei der Mastitis-Therapie zu verzichten. Die Innovation: Um die „schlechten“ Bakterien wie Staphylokokken und Streptokokken zu verdrängen, werden „gute“ Milchsäurebakterien eingesetzt. Diese würden sich auch natürlicherweise im Umfeld der milchgebenden Kuh befinden wie zum Beispiel in der Milch selbst, ohne sie krank zu machen.
Keine Unverträglichkeiten durch Behandlung mit Milchsäurebakterien
„Wir haben zunächst im Labor Milchsäurebakterienstämme isoliert und ihre hemmende Wirkung auf die Krankheitserreger getestet“, beschreibt Krömker das Vorgehen. „Wir untersuchten auch, wie sich die Stämme an Hautzellen des Zitzenkanals und des Euters anlagern und ob sie einen Biofilm bilden.“ Dies sei für das Verdrängen der krankmachenden Keime eine zentrale Eigenschaft gewesen. Die anschließenden Versuche an Kühen unter kontrollierten Bedingungen zeigten, dass der ausgewählte Milchsäurebakterienstamm das Eindringen und das Vermehren der „schlechten“ Entzündungsbakterien in der Milchdrüse bestmöglich verhindert. „Unsere Tests haben gezeigt, dass an Mastitis erkrankte Kühe durch eine derartige innovative Milchsäurebakterien-Behandlung gleichermaßen gesund werden wie durch die herkömmliche antibiotische Methode“, so Krömker. Besser noch: Es seien keine Unverträglichkeiten festgestellt worden. Weitere Untersuchungen und eine größere klinische Studie seien allerdings erforderlich, um die Wirksamkeitsdaten auf eine breitere Basis zu stellen und zum Beispiel mögliche Lager- und Anwendungsformen zu prüfen. Sollte sich ein marktfähiges Präparat entwickeln lassen, wäre ein möglicher gewinnbringender Nebeneffekt der Therapie, dass die Menge der Milch, die bei Antibiotika-Behandlung nicht in die Lieferkette gelangen darf, vermindert wird.